Fernweh in der DDR. Möglichkeiten und Grenzen für Auslandserfahrungen | Staffel 1 Folge 9

Shownotes

🎙 Die DDR und wir im DAAD – Folge 9

Staffel 1: Hinter der Mauer die Welt

Welche Möglichkeiten hatten Menschen in der DDR, für Studium oder Beruf ins Ausland zu gehen? In welche Länder konnten sie privat reisen? Alexander Haridi und Marie Buchta (DAAD) beleuchten, wie eingeschränkt Auslandsreisen waren und welche Wege junge Menschen dennoch fanden, sich international zu orientieren.

🌍 Hintergrund

Reisen ins Ausland waren für die meisten DDR-Bürgerinnen und -Bürger stark reglementiert. Nur wenige Länder standen offen, und Auslandsaufenthalte während Studium oder Beruf waren die Ausnahme.

💬 Zeitzeugen berichten von vielfältigen Erfahrungen: Urlaube im Kaukasus, Einsätze mit einer FDJ-Brigade in Guinea oder ein Arabistikstudium ohne Aussicht, jemals in die arabische Welt zu reisen. Dr. Carsten Walbiner, heute DAAD-Mitarbeiter, erinnert: „Das war schon ein massiver Eingriff in die persönliche Freiheit.“ Die Folge zeigt, wie junge Menschen trotz dieser Einschränkungen Wege fanden, eine internationale Karriere vorzubereiten.

📌 Themen dieser Episode

• Möglichkeiten für Auslandsaufenthalte für DDR-Bürger • Einschränkungen und Hindernisse • Wege zur internationalen Orientierung trotz politischer Begrenzungen

🎧 Über das Projekt

Das Zeitzeugenprojekt „Die DDR und wir im DAAD“ dokumentiert über 90 Stunden Interviews mit ehemaligen und aktuellen Mitarbeitenden, DAAD-Alumnae/-Alumni und politischen Wegbegleitenden – emotional, kontrovers und informativ.

🖥️ Formate

Podcast 🎙 | Video-Serie 🎥 | Online-Archiv mit Zeitzeugeninterviews 📖

DAAD-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter haben das Projekt anlässlich des 100-jährigen DAAD-Jubiläums entwickelt und umgesetzt, unterstützt durch Studierende und Kommunikationsprofis aus Ost- und Westdeutschland.

🔗 Weitere Informationen:

🌐 Webseite: http://www.daad.de/ddrundwir

🎥 YouTube: https://www.youtube.com/channel/UC-wnTIo38qxMCUa1VOR6Q

📧 Kontakt: ddrundwir@daad.de

Transkript anzeigen

00:00:00: nach Tschechien oder selbst nach Budapest zu fahren, was so ein bisschen schon westlichen

00:00:05: Flair hatte, war jetzt kein Ersatz zu und hat die wirkliche Fernweh nicht befriedigt.

00:00:11: Und ich glaube, es war auch gar nicht so sehr die Frage, man muss es sich ja auch leisten

00:00:16: können.

00:00:17: Also Reisen ist ja ungernkontenter theoretisch, Reisen mit die wenigsten haben es gemacht,

00:00:20: weil sie einfach das Geld nicht hatten.

00:00:22: Aber dieses Gefühl, dass einem einer das verbietet und sagt, da darfst du nicht hin, weil wir

00:00:27: das aus irgendeinem Grund zu entscheiden, das war schon ein massiver Eingriff in die persönliche

00:00:34: Freiheit, die man empfunden hat.

00:00:37: Das Problem des Studiums war, dass, ich habe das Verglichen mit einem, ich bin ein Medizinstudent,

00:00:43: der nicht an den Patienten kommt, das Bild ist schief, trotzdem man hatte ja keine Möglichkeiten

00:00:49: und auch keine Garantie, dann später auch in der arabischen Welt tätig zu sein.

00:00:54: Ich bin eines Tages auch, da war ich schon am Herderinstitut angestellt, in diese Kaderabteilung,

00:01:01: heute heißt das Personalabteilung gegangen, ich möchte gerne im Ausland arbeiten.

00:01:05: Und da hat der damalige Kaderleiter, ich verwende mal diese Wörter, hat der damalige Kaderleiter,

00:01:12: Herr Dr.

00:01:13: Kötz gesagt, also Frau Kühn, man fragt nicht, ob man gehen kann, man wird gefragt und sie

00:01:21: werden nicht gefragt.

00:01:22: Das ist schon etwas, was man so nie vergisst, dass man da plötzlich neben dem Kölner Dom

00:01:28: aussteigt und den man nur von einer Postkarte kennt und nicht geglaubt hat, dass man, bevor

00:01:36: man sein 60.

00:01:37: des Lebensjahr erreicht, dieses Gebäude mal wirklich sehen kann.

00:01:46: Die DDR und wir im DAAD, eine Zeitzeugenbefragung, Folge 9, Fernweh in der DDR.

00:01:57: Fernweh in der DDR, wie war das mit dem Reisen oder dem eingeschlossenen Sein in der deutschen

00:02:03: demokratischen Republik?

00:02:06: Darüber spreche ich heute mit meiner DAAD-Kollegin, Marie Buchta.

00:02:09: Hallo Marie.

00:02:10: Hallo Alex.

00:02:11: Marie, du hast das Skript für die heutige Folge geschrieben, d.h. du hast dich intensiv

00:02:17: mit den Interviews befasst und aus den 55 Zeitzeugen berichten, die wir hier im Projekt

00:02:23: vorliegen haben, hast du zwölf Personen ausgewählt, die du dir besonders unter dem Aspekt des

00:02:29: Reisens angeschaut hast und wir werden sehen, diese zwölf Personen sind sehr verschieden

00:02:35: in dem, was sie erlebt haben, aber sie haben doch auch eines gemeinsam, sie sind jetzt

00:02:41: nicht die durchschnittlichen DDR-Werk tätigen.

00:02:45: Sondern ich mach mal weiter, du hast verschiedene in der DDR geborene, spätere DAAD-Kollegen-Interview

00:02:54: in diesem Projekt, das ist jetzt also ein Ausschnitt aus diesem Spektrum, diese zwölf Personen

00:02:59: insgesamt, genau und du sagst, das war nicht der Durchschnittsbürger, sondern das waren

00:03:07: alles Personen, das erzählen sie auch in ihren Interviews, die relativ früh irgendwie

00:03:12: mit dem Ausland in Berührung gekommen sind, sei es über Reisenurlaube oder ja auch anderweitige

00:03:19: Berührungspunkte, sie haben was gelesen über das Ausland und es hat sich früh bei allen

00:03:26: so einen Wunsch entwickelt, sie wollen irgendwie mal was im internationalen Bereich machen.

00:03:31: Und das war natürlich in der DDR mehr oder weniger eingeschränkt, auf jeden Fall eingeschränkter,

00:03:37: als es in der BRD war und trotzdem sind diese Personen alle später, fast alle, beim DRD

00:03:43: gelandet in irgendeiner Funktion oder sie hatten zumindest mit dem DRD zu tun, deswegen ist

00:03:49: das natürlich ein sehr spezieller Ausschnitt, also die haben alle studiert, waren alle

00:03:55: im Ausland in verschiedenen Formen, konnten teilweise auch nicht ins Ausland, aber genau

00:04:01: das wollen wir uns jetzt anschauen in der Episode.

00:04:03: Ja und in diesem Interesse für die Welt und der Erfahrung des internationalen, ähneln

00:04:10: sie auch den westdeutschen DRD-Kollegen und Kollegen.

00:04:15: Also es ist ja das Kerngeschäft des DRDs, Auslandsaufenthalte in Studium und Forschung

00:04:22: und Hochschullehre zu ermöglichen, deshalb ist das Thema jetzt auch ja naheliegend ein

00:04:27: Kernthema des DRDs und andere Podcast folgen dieser Serie, zeigen und stellen da, dass

00:04:36: die DDR auch solche Förderprogramme hatte und eben auch ausländische Studierende an

00:04:42: ostdeutsche Hochschulen gezogen hat und entsprechend spielt für alle Interviewen bei uns dieser

00:04:49: Auslandserfahrung eine Rolle.

00:04:52: Ähm, wir wollen das uns hier aber jetzt nochmal genauer anschauen in dieser Folge und worauf

00:04:58: hast du den Fokus gelegt?

00:05:01: Genau, der Fokus liegt wirklich auf den ganz persönlichen Erfahrungen von DDR-Bürgern.

00:05:07: Ähm, eben mit dem Thema können sie ins Ausland gehen oder nicht und zwar schon in der Kindheit

00:05:13: und dann uns anschauen, welche Möglichkeiten gab es im Studium ins Ausland zu gehen oder

00:05:18: gab es vielleicht auch nicht.

00:05:19: Wir haben da wirklich ein ganz großes Spektrum an individuellen Erfahrungen und auch Perspektiven,

00:05:24: wie das empfunden wurde, ob als Einschränkung oder als große Möglichkeit auch.

00:05:28: Und damit würden wir jetzt auch starten mit so ersten Berührungspunkten mit dem Ausland

00:05:35: in der Kindheit und wir hören uns mal Karsten Walbina an, heutiger, der D-Kollege in Weimar

00:05:41: geboren, er berichtet, dass er auch viel Verwandtschaft in der BRD hat und als Kind schon

00:05:48: gerne gereist wäre, auch gerne weiter weggereist wäre und sich unter anderem auch für den

00:05:53: sogenannten Urient interessiert hat.

00:05:55: Ich weiß nicht, warum diese Beschränkung des Reisens, was mich sehr, sehr früh, äh,

00:06:01: ich weiß nicht, woher diese Fernwege kommen ist, dass ich schon als Kind gern verreist

00:06:08: wäre, da, wo Palmen wachsen oder irgend so etwas.

00:06:11: Ähm, und das empfand man doch als massiv, zu males in meinem Falle ja auch die Familienbeziehungen

00:06:17: stark eingeschränkt hat.

00:06:18: Also unsere Verwandten konnten uns ja nur am Osten besuchen und ich war davon, ähm, ich

00:06:23: war daran gehindert, äh, sie in ihren Wohnorten zu besuchen und man bekam dann natürlich

00:06:28: von ihnen Postkarten aus dem Urlaub und ähm, anfänglich aus Spanien dann später, was

00:06:33: Amerikan, wo man eben so hingefahren ist, ähm, dieses Nichtreisen, ähm, war für mich

00:06:41: ein sehr, sehr massives Problem, also dieses gefühlte Eingesperrtsein, was das Reisen anbelang

00:06:49: hättest du ja zumindest Richtung Ost und durchaus reisen können nicht, die östlichen

00:06:54: Stagen bis zur Sowjetunion war das ja möglich, hast du die Möglichkeit genutzt?

00:06:58: Ähm, also als junger Mensch ist man oft ein bisschen radikal, also Russland, wie ich die

00:07:04: Sowjetunion immer genannt habe, ähm, hat auf mich keinerlei Reits ausgeht, obwohl ich

00:07:09: natürlich wusste, dass es in Samarkand und Bukhara auch Städten des Islam und der orientalischen

00:07:14: Geschichte gibt, aber der Reiz nach Russland zu reisen war relativ eingeschränkt.

00:07:19: Ähm, die Reisefreiheit selbst im Osten war ja nicht besonders groß, also man konnte nur

00:07:25: nach Polen und in die Czechoslovakie einfach so fahren, für die anderen Länder musste

00:07:29: man eine Art Visum beantragen, aber nicht etwa bei der Botschaft Ungarn, sondern bei

00:07:34: den DDR Behörden, also man kriegte dann so eine Art Ausreiseerlaubnis, ähm, ich habe

00:07:40: das ähm, auch wahrgenommen, war mal in Ungarn und mal in Bulgarien, ja es gab, aber sagen

00:07:47: wir mal nach Tschechien oder selbst nach Budapest zu fahren, was so ein bisschen, schon

00:07:52: westlichen Flair hatte, war jetzt kein Ersatz zu und hat die wirkliche Fernweh nicht befriedigt

00:07:59: und ich glaube es war auch gar nicht so sehr die Frage, man muss es sich ja auch leisten

00:08:04: können, also Reisen ist ja Ungarn-Konten der theoretisch Reisen, aber die wenigsten

00:08:08: haben es gemacht, weil sie einfach das Geld nicht hatten, es war natürlich auch dieses

00:08:11: Gefühl tatsächlich daran gehindert zu sein, es war vielleicht gar nicht so sehr die reale

00:08:17: Reisemöglichkeit, weil woher hätte man jetzt das Geld genommen, um tatsächlich nach Argentinien

00:08:24: oder Ägypten oder wo auch immer, aber dieses Gefühl, dass einem einer das verbietet und

00:08:30: sagt, da darfst du nicht hin, weil wir das aus irgendeinem Grund zu entscheiden, das war

00:08:35: schon ein, ein, ein, ein, ein massiver Eingriff in die, in die persönliche Freiheit, die man,

00:08:41: die man empfunden hat.

00:08:43: Anders als Karsten Walbiner hat unsere Kollegin Jana Merzuk, die in Rostock aufgewachsen ist,

00:08:51: die Reisemöglichkeiten nicht als beschränkte empfunden und sie ist tatsächlich als Kind

00:08:55: und Jugendliche schon viel auch außerhalb der DDR unterwegs gewesen.

00:08:59: Außerhalb der DDR waren, war ich mit meinen Eltern jedes Jahr im Ausland, im osteuropäischen

00:09:05: Ausland aber eben nur, ja wir waren in, regelmäßig in Polen, es ist nicht, nicht weit von uns

00:09:13: gewesen, es ist zweieinhalb Stunden Autofahrt oder drei waren es bis Polen, wir waren einmal

00:09:18: im Jahr in der Tscheche Slowakei, haben dort mehrere Orte und besucht, viel in den Bergen

00:09:26: gewandert, Campingurlaub gemacht in der Slowakei in der Tscheche, ja ich war in Ungarn, ich

00:09:32: war in der Ukraine damals noch Serviett Union alles gemeinsam, das war unsere Abschlussfahrt

00:09:38: in der Zehnten Klasse, sind wir für eine Woche nach Kiew gefahren, ja das waren so

00:09:45: die Länder, die ich dort besucht hatte, ich war in Bulgarien sehr oft über Jugendreisen,

00:09:51: es gab in der DDR ja ein Programm, dort konnte man relativ preisgünstige Jugendreisen

00:09:59: mitmachen, das waren so Jugendgruppen, die dann mit einem Reiseleiter versehen ins

00:10:06: Ausland gefahren sind und da war ich auch mehrmals in Bulgarien dann.

00:10:11: Manche sagen ja, sie haben sich eingesperrt gefühlt in der DDR, das klingt jetzt aber

00:10:15: nicht so bei Ivan, ja offensichtlich viel unterwegs.

00:10:20: Also ich war sehr viel unterwegs dadurch, dass ich aber Geografie studieren wollte und

00:10:27: immer sehr interessiert war an den Ländern, habe ich natürlich schon Atlanten gehabt,

00:10:33: wo ich dann natürlich auch die anderen Länder auswendig gelernt habe mit Hauptstadt und

00:10:38: ich mir das angeguckt habe, ich habe mir viele Bildbänder angeguckt, aber so richtig

00:10:43: Fernweh, muss ich sagen, hatte ich nicht, also mein Traum früher war immer mal nach

00:10:50: Kuba zu reisen, was ja auch von der DDR aus möglich gewesen wäre, aber ich hatte jetzt

00:10:56: nicht so ein Fernweh in anderen Regionen, da ich ja regelmäßig jährlich ein, zwei

00:11:02: Mal wirklich im Ausland war.

00:11:04: In den russischen Teilen der Sowjetunion war es schon schwieriger für uns zu gelangen,

00:11:09: da brauchte man Sondergenehmigung, soweit ich mich erinnere, da konnte nur als Auszeichnung

00:11:15: bestimmte Personen hinreisen und uns war es irgendwie als Klasse in der Zehntklasse

00:11:20: ermöglicht worden, dann für eine Woche nach Kiew zu reisen.

00:11:23: Das war leichter nach Kiew als nach St. Petersburg zu reisen, ja?

00:11:27: Ja, auf jeden Fall.

00:11:28: Und nach Tajikistan wäre auch einfacher gewesen.

00:11:30: Also das habe ich jetzt nicht gehört, dass in diese Richtung jemand reisen konnte, Tajikistan

00:11:36: oder Kyrgyzstan, hätte ich jetzt nicht gewusst, ich weiß, nach Uzbekistan konnte man reisen

00:11:42: noch, das war aber sehr teuer damals, weil das eben völlig eine andere Welt war, aber

00:11:50: Ukraine, Weiß-Hosland-Münzt war eigentlich, konnte man bereisen, aber Moskau, St. Petersburg

00:11:56: war eben nur Auszeichnung.

00:11:58: Unser heutiger Kollege Kai Franke ist in Ost-Berlin aufgewachsen und er konnte als Kind schon ganz

00:12:04: besondere Reisen unternehmen mit seinen Eltern.

00:12:07: Also meine Eltern waren sehr reiselustig und die Möglichkeiten waren sehr beschränkt

00:12:13: und nachdem sie dann in der Slovakai jedes Bergtal abgeklappert haben, sag ich mal so,

00:12:18: kam dann diese Idee, dass man diese stark kontrollierten Reisen in die Sowjetunion trotzdem unternimmt.

00:12:25: Und das haben sie dann insgesamt mit mir viermal gemacht.

00:12:31: Also ich war mit fünf, mit neun, mit elf und mit 13 war ich sozusagen jeweils einmal im

00:12:39: Kaukasus.

00:12:40: Was heißt stark kontrollierte Reise?

00:12:43: Es gab eine vorgegebene Rote, die man einhalten musste, es gab Übernachtungen, die sie schon

00:12:48: festgelegt haben vorher und es gab, man konnte durfte von diesen Roten auch nicht abweichen.

00:12:52: Ihr seid mit dem Auto befahren?

00:12:54: Genau, in Berlin losgefahren, durch Polen, durch die Ukraine, dann ein Stück durch Russland

00:13:02: und dann einmal in den Kaukasus nach Georgien und dann wieder zurück über die Schwarzenberg-Küste.

00:13:09: Also da interessant natürlich auch, wir haben ja auch alle russisch gelernt in der Schule

00:13:15: und meine Mutter war sogar englisch und russisch lehren, also war entsprechend ausgebildet und

00:13:20: wir durften uns aber nur auf Routen bewegen, die in lateinischer Schrift ausgeschildert

00:13:25: waren.

00:13:26: Das heißt Straßen, die sozusagen nicht lateinisch ausgeschildert waren, waren für Ausländer

00:13:31: auch nicht zugelassen.

00:13:32: In der Sowjetunion?

00:13:33: Das war eine Grundregel.

00:13:34: Das war eine Grundregel, dann durfte man dann, also in den Städten schon, aber auf dem Lande

00:13:39: durfte man sich sozusagen nicht nach rechts und nach links bewegen, wenn es nicht lateinisch

00:13:42: ausgeschildert war, dann halt diese Marsch-Route, die Route, die sozusagen für Ausländer zugelassen

00:13:47: war.

00:13:48: Das erinnere ich mich noch sehr gut und wenn man da mal abgewichen ist, dann wurde man

00:13:51: sofort von der Polizei angehalten und belehrt, dass man sozusagen schnell wieder zurückfahren

00:13:57: müsse.

00:13:58: Also das Charyllische war den einheimischen Vorbehalten.

00:14:01: Genau.

00:14:02: Und da hat es auch nichts genutzt, gut russisch zu sprechen oder russisch lehrerin zu sein,

00:14:07: das war eine...

00:14:08: Naja, es hat dann schon genutzt, um sozusagen diese Gespräche zu führen und zu bitten, aber

00:14:14: es hat dann im Endeffekt nichts genutzt.

00:14:15: Es gab aber so Ländereien, also im Kaukasus, vor allem damals erinnere ich mich an Nord-Ossetien

00:14:22: und an Georgien, wo es ein bisschen freier zu ging, wo man bei Ausländern auch mal ein

00:14:27: Auge zugedrückt hat, weil sie halt Gäste waren und deswegen war es ein bisschen lockerer

00:14:33: und dann konnte man auch mal vom Weg abkommen.

00:14:35: Wie hast du das als Kind und später als Jugendlicher empfunden, diese Reisen?

00:14:39: Also schon sehr abenteuerlich, also ich habe schon gewusst, es ist irgendwie was Besonderes,

00:14:44: was von sonst noch nicht erlebt, was auch meine Mitschüler nicht erlebten und wir waren

00:14:49: ja sehr...

00:14:50: In Ostberlin war man ja sozusagen sehr isoliert und dann hatten wir halt auch mal die Möglichkeit

00:14:56: in irgendwelche Gegenden zu kommen, wo Palmen wuchsen, wo es Gletscher gab, wo es auch

00:15:02: große Städte gibt, dass große Wellen auf der Schwarze Meer erinnere ich mich, ganz beeindruckend,

00:15:08: was wir sonst nicht so ausleben konnten, nicht?

00:15:11: Ja.

00:15:12: Du hast in deiner Kindheit und Jugendtour was von der Welt gesehen, zwar Richtung Osten,

00:15:17: aber doch so was sehr vielfältig von den Landschaften...

00:15:21: Genau, sehr vielfältig Landschaften und eben auch von den Kulturen auch sehr interessant

00:15:25: und ich weiß auch, wir hatten dann auch eine Landkarte dann in unserem Fahrzeug oben

00:15:30: an der Decke und dann sah man halt auch, dass da die Türkei und Iran eigentlich nicht weit

00:15:35: waren, sondern um die Ecke, man hat dann auch so Kulturräume irgendwie anders erschlossen

00:15:39: als wenn man jetzt in Georgien in Armenien war, da muss man auch hier, hier sind andere

00:15:43: Länder noch um die Ecke, ja?

00:15:45: Ja, Kai Franke hat dann tatsächlich später auch eslavistik studiert und er hatte Studien

00:15:52: und dann auch Arbeitsaufenthalte in Osteuropa und auch im Kaukasus, also es hat ihn wieder

00:15:57: zurückgeführt dahin, wo er in der Jugend gereist war und das ist bei vielen der Personen

00:16:06: so gewesen, die wir heute hier darstellen, dass das Fernwurz sich dann irgendwie auch

00:16:13: in einen Studienwunsch artikuliert und viele haben dann tatsächlich auch ein regionalwissenschaftliches

00:16:20: Fach studiert.

00:16:21: So auch Berbel und Klaus Stark, die ich hier in Berlin zusammen interviewt habe, der Klaus

00:16:28: Stark hat 1990 in der Außenstelle Berlin Mitte, zu der es ja eigene Episoden gibt in dieser

00:16:34: Staffel gearbeitet, später dann im DRD in Bonn und Berbel Stark war in Palästina, in

00:16:45: der arabischen Welt, unterwegs für die damalsige GTZ und auch das Goethe-Institut und von den

00:16:52: beiden hören wir jetzt mal, wie sich das so im Studium dargestellt hat.

00:16:56: Naja, das Interesse kam im Prinzip dadurch, dass ich schon während der Oberschulzeit eben

00:17:03: auch öfter ins Ausland gefahren bin, also Czechoslovakia und Bulgarien und dort erlebt

00:17:12: habe, dass die Menschen doch unter etwas anderen Bedingungen auch sehr glücklich sind und als

00:17:22: ich das Leben bei uns kannte, also viel mehr Sonne, viel mehr Musik, viel mehr Umgang

00:17:30: miteinander, andere Sprachen, ich hatte von der 5. Klasse an Russisch, das hat mich

00:17:37: interessiert, habe dann auch Englisch gelernt und das war die eine Richtung und die andere

00:17:44: Richtung war, dass ich großes Interesse an Politik hatte und dann danach suchte, was man

00:17:54: in diesem Zusammenhang studieren könnte und da kam mir als erstes entgegen ist Außenpolitikstudium,

00:18:03: das durfte ich dann aber nicht machen, weil ich das falsche Geschlecht hatte, wurde mir

00:18:08: gesagt, als Frau kann man das nicht machen, in der Außenpolitik wäre eine Männerdomäne

00:18:14: und vor allem in Ländern wie zum Beispiel arabische Länder, ging das überhaupt nicht

00:18:20: und da ich doch dann relativ reinent bin, habe ich gesagt, okay, was gibt es außer Außenpolitikstudium

00:18:29: und da wurde dann gesagt, ja, es gibt diese Regionalwissenschaften und da könnte ich mich

00:18:36: dann bewerben und da habe ich mich dann für Regionalwissenschaften beworben und bin über

00:18:42: Umwege dann bei Arabistik in Leipzig gelandet, umwege deshalb, weil in der Zeit eine Umstrukturierung

00:18:51: der Hochschulen stattfand und ich anführe, sich mich für Synologie beworben hatte und

00:18:58: dann aber meine Unterlagen nach Leipzig geschickt wurden, weil es dann dieses Jahr kein Synologie

00:19:03: gab sozusagen. Also das Interesse war Sprachen, andere Länder und Politik und das fand ich

00:19:12: sehr gut.

00:19:13: Ich hatte schon immer Interesse für Archäologie und Geschichte und was mich besonders fasziniert

00:19:24: hat, nicht zuletzt dadurch, dass bei uns zuhause die Bücher von CW CRAM standen, Göttergräber

00:19:37: und Gelehrte und sieben vorbei und acht verweht und Reiseberichte über Entdeckungsreisen,

00:19:48: besonders Livingston Stanley, habe mich auf die Schiene gebracht, in der Prochüre stand

00:19:57: dann halt auch Afrikanistik und da habe ich mir in meinem damaligen Jugendlichen Leichtsinn

00:20:05: gesagt, also das war eben 1968 und 1961 ist das berühmte afrikanische Jahr, in dem sehr

00:20:15: viele ehemalige afrikanische Kolonien unabhängig wurden und ich habe mir gesagt, also ein nahen

00:20:25: Osten, ein Anführungszeichen, den gibt es schon länger und aus dem Landein Amerika auch,

00:20:34: aber Afrika ist ein junger, interessanter Kontinent, von dem man nun nicht allzu viel

00:20:43: weiß, da könnte man sozusagen noch was machen, also werbe ich mich für Afrikanistik.

00:20:49: Ein weiterer späterer Kollege ist Kai Etzold, es aufgewachsen in Neustrelitz, also im heutigen

00:20:58: Mecklenburg Vorpaumann, du hast ihn auch interviewt Alex und er hat ja auch erzählt, wie sich eigentlich

00:21:02: sein Interesse für sein späteres Studienfach entwickelt hat in der Jugend.

00:21:06: 1973 gab es den Putsch in Chile und ich weiß noch, wie meine Oma gesagt hat, als die Bücher

00:21:15: von Pablo Neruda und anderen chilenischen Schriftstellern verbrannt wurden, sie sagte,

00:21:19: so haben die Faschisten auch angefangen und dann habe ich mich ein bisschen mit Chile

00:21:23: beschäftigt und war mit Latin Amerika und so ist eigentlich mein Wunsch gekommen, dass

00:21:29: ich Spanisch lernen wollte, also war dann für mich sozusagen der Kontinent, da wollte

00:21:37: ich unbedingt mal hin, das war das eine und ich habe dann mich auch beworben, bin abgelehnt

00:21:47: worden und da merkte man eigentlich, dass beworben für ein Studium für Latin Amerikanistik,

00:21:53: da musste man ein Vorstellungsgespräch haben, so ein Auswahlgespräch, an welcher Hochschule

00:21:58: war an der Universität in Rostock und man wurde nur alle zwei Jahre immatrikuliert, weil

00:22:04: man brauchte nicht so viele Latin Amerikanisten in der DDR und da bin ich beim ersten Mal

00:22:09: abgelehnt worden und dann bin ich im Zug nach Hause gefahren mit Hermann Herlinghaus, der

00:22:14: ist heute Professor in Latin Amerikanische Literatur, ich glaube in Freiburg, Zufall,

00:22:21: mit ihm, der hatte sich auch beworben, aber als im Zug auf der Rückfahrt von Rostock

00:22:28: in Neustrills bin ich ausgestiegen, er fuhr weiter nach Berlin, habe ich erst mal gemerkt,

00:22:32: wie rückständig wir in Mecklenburg waren, also so, der wusste viel mehr, der hatte

00:22:38: viel mehr durch Berlin, viel mehr Zugang zu bestimmten Sachen und das war, dann habe

00:22:44: ich mich, also ich habe mich nach Hause, meine Eltern haben gesagt, bewirb dich nochmal und

00:22:50: dann habe ich mich nochmal beworben und habe aber in diesem Jahr der Wiederbewerbung wirklich

00:22:59: mich mit den Sachen auseinander gesetzt, die man im Studium dann auch erwartet, da bin

00:23:05: ich genommen worden.

00:23:06: Ein anderen Mecklenburger, also auch ganz weit weg von Berlin, hat es aber schon in der Kindheit

00:23:14: ins Ausland verschlagen, und zwar nach Algerien und das ist Matthias Pezold und auch in seinem

00:23:21: Lebenslauf wird man sehen, dass ja die kindliche Begeisterung sich dann auch wegbahnt in den

00:23:30: Beruf Matthias Pezold wurde später unter anderem Leiter der Außenstelle, Cairo.

00:23:35: Hören wir ihn selbst, wie er als Kind nach Algier kam.

00:23:38: Das hatte damit zu tun, dass mein Vater hatte eine Professur für Grasland und subtropische

00:23:44: Landwirtschaft in Rostock, er war drei Jahre, das muss man dazusagen, in einer glücklichen

00:23:54: Zeit Kriegsgefangene in Frankreich gewesen, von 45 bis 48 war deshalb jemand, der sehr

00:24:00: gut Französisch sprach, das dazu, also er war jemand der Fachwissen hatte und der eine

00:24:06: Sprache sprach, die nicht russisch oder englisch war, sondern das Französisch zu können war

00:24:12: dann schon recht kostbar und so hat man ihn angesprochen, ob er sich eine Auslandsdozentur

00:24:19: vorstellen könnte im sozialistisch orientierten Algerien, Algerien ist 1962 unabhängig geworden

00:24:28: und er hat natürlich ja gesagt und er sollte 68 ausreisen, daraus wurde er 1969, die Familie

00:24:37: war zwei Jahre dort, so hatte ich einen noch anderen Begriff von der Welt bekommen als

00:24:43: der normale DDR-Bürger, denn die Reisetätigkeit, das war ja sehr begrenzt, das war der Ostblock

00:24:48: und auch da konnte man nicht ungefragt einfach so hinreisen, also Soviet Union war nur mit

00:24:54: Reisebüro und dergleichen möglich und das andere war, sitzen häufig Finanzen und Besitz

00:25:00: von Autos und dergleichen Grenzen, aber meine Eltern haben eigentlich ihr Geld in Algerien

00:25:06: und dann aus späteren DDR im Ostblock verreist, meine Eltern hatten nie ein Haus, wir hatten

00:25:11: eine Wohnung und wenn Geld da war, das wurde verreist um sich etwas anzugucken und sich

00:25:16: zu bilden, ich hatte frühzeitig mein Wunsch angemeldet Arabistik zu studieren, das hatte

00:25:23: etwas zu tun, das hatte drei Gründe, das hatte einmal mit der Algerien Vergangenheit, die

00:25:28: unsere Familie hatte zu tun, das hat zweitens mit meinen Veranlagung und Begabung zu tun,

00:25:33: ich hätte mich nie für Elektroingenieurwesen gemeldet und interessiert und wäre da auch

00:25:37: nicht erfolgreich gewesen, also Sprachen und Geschichte ist so mein Fokus und drittens

00:25:44: war der Wunsch mal auch wieder von außen zu sehen, das war nicht garantiert, dass da

00:25:53: entschieden andere Leute drüber, mein Vater hatte Glück aufgrund seiner Voraussetzungen,

00:25:58: er war nicht in der Partei, aber ist trotzdem nach Algerien gekommen, war dann auch noch

00:26:04: länger in Algerien und dann in Madagaskar und in Mali, so für Regierungskommissionen,

00:26:09: die sich so mit Equivalenzverhandlungen an Erkennung akademischer gerade beschäftigte,

00:26:14: so war das Ausland bei uns doch immer präsent in der Familie und es kam hinzu, dass die

00:26:18: Großeltern in Generation in die Bundesrepublik in Anfang der 50er Jahre geflohen sind, sodass

00:26:26: man immer noch ein Draht und viel Verwandtschaft auch im Westen hatte.

00:26:29: Ja, wir haben das jetzt bei allen Passagen rausgehört, die Interviewen haben früh in

00:26:34: Interesse am Ausland entwickelt, an anderen Weltregionen wollten die DDR mal von außen

00:26:40: sehen und haben so auch ihre Studienfächer ausgewählt, tatsächlich haben alle entweder

00:26:45: ein regionalwissenschaftliches Fach sich ausgesucht oder eine Sprache studiert, eine

00:26:51: Fremdsprache oder eben auf Lehramt auch eine Fremdsprache studiert.

00:26:54: Also, Fächer, wo man heute sagen würde, da gehört oft ein Auslandsaufenthalt dazu im

00:27:02: Studium, bei unseren Interviewen, die noch zu DDR-Zeiten studiert haben, war das in

00:27:09: sehr unterschiedlichen Maßen möglich, das schauen wir uns jetzt mal an, dieses Spektrum

00:27:15: und fangen mit zwei Beispielen an, wo das problemlos ging, wo ein Auslandsaufenthalt

00:27:19: auch im Studium integriert war und für alle vorgesehen war.

00:27:24: Die erste spätere Kollegin, die wir jetzt hören, ist Helga Katschmann, sie hat, wie

00:27:30: Kai Erzolt und auch Klaus Stark, dann ab 1990 im neuen DAD, in der DAD Außenstelle Berlin-Mitte

00:27:38: gearbeitet und hat in Leipzig studiert.

00:27:42: Ja, und dann habe ich angefangen, 1960 zu studieren, in Leipzig, habe Slavistik studiert, mit

00:27:53: Hauptfach Tschechisch, zweitfach Russisch und habe so nebenbei immer, also Sprachen

00:27:59: war eigentlich meine Welt, schon von Kind auf, es war klar, dass ich was mit Sprachen mache

00:28:04: und habe da angefangen, dann war das ja so, Tschechisch war mein Hauptfach und da waren

00:28:15: wir waren so die ersten abgestimmten Teilstudenten, ich bin nach dem dritten Studienjahr nach Prag

00:28:21: gegangen und habe in Prag meinen Abschluss gemacht, bin also Absolvent der Karls-Universität

00:28:25: in Prag, aber ich möchte nicht stolz drauf, muss ich ja sehen, 1965, 65 habe ich angefangen,

00:28:34: 65, so dann habe ich angefangen, als habe ich an der Uni angefangen in Leipzig, habe

00:28:42: dort Tschechische Literatur unterrichtet und wollte eigentlich promovieren und den ganz

00:28:49: normalen Weg gehen und den hat der 21. August, das hat 68 ein Bruch, aber nur nicht gerade

00:28:58: aus irgendeinem politischen Gründen, ganz einfach, mein ehemaliger Mann, aber sollte

00:29:02: am 68er im Internationalen Studentenbund eingesetzt werden und das wäre für mich die ideale

00:29:08: Möglichkeit gewesen, da ich mich mit Gegenwartsliteratur beschäftigt hatte, da hätte man unbedingt

00:29:14: noch mal nach Prag gemusst und ich hätte dann dort also durchaus in eine Aspirantur gehen

00:29:20: können und meine Kinder mitnehmen, ich hatte da zwei Kinder.

00:29:24: Aspirantur heißt Promotion, ja?

00:29:25: Ja, wir hatten Assistenten, die haben also auch unterrichtet mit, hatten vier Jahre Zeit

00:29:30: und die Aspiranten, die haben also faktisch nur in der Forschung gearbeitet und wenn

00:29:35: ich wäre, hätte ich gewechselt in die Aspirantur.

00:29:38: Ja, wir sollten am 23. August 1968 ausreisen, war natürlich passé, weil man ist dann zum

00:29:51: Internationalen Studentenbund gegangen und ich bin im November, mein zweites Kind ist

00:29:58: am 1. Oktober 1968 geboren und ich bin mit der, die war fünf Wochen alt, mein Sohn

00:30:04: war zwei Jahre, bin ich im November auch nach Prag gegangen.

00:30:07: Die haben alle hier im Kopf geschindelt, wie kannst du da hingehen jetzt?

00:30:10: Ich sage mir, passiert doch nix.

00:30:12: Ja, Helga Katschmann hat dann mit ihrer Familie noch insgesamt vier Jahre in Prag gelebt.

00:30:16: Jana Meersuk, die wir vorhin schon gehört haben, die also mit ihren Eltern auch schon

00:30:21: viel in der Jugend gereist ist, hat sich dann für ein Lehramtsstudium Russisch und Geographie

00:30:26: entschieden an der Uni Halle und auch bei ihr waren Auslandsaufenthalt im Studium integriert.

00:30:33: Dann kam das Auslandspraktikum, wurde das genannt, und zwar konnte man wählen zwischen,

00:30:42: also ich sollte ein Auslandspraktikum machen für die Fachrichtung Russische Sprache und

00:30:51: da gab es Kooperationsvereinbarung der Universität und zwar hatten wir im Fachbereich Russische

00:31:00: Sprache, hatten wir Dozenten von russischen Hochschulen teilweise, die uns in Phonetik

00:31:08: unterrichtet hatten oder Syntags oder so, was haben die unterrichtet bei uns und es gab

00:31:15: das Abkommen, also es kommen Hochschuldozenten nach Halle und es gehen Studierende nach

00:31:21: Russland, in die Sowjetunion damals ja noch und es gab, man konnte ein halbes Jahr gehen,

00:31:28: ich weiß jetzt gar nicht mehr wohin, kann ich nicht mehr sagen, aber ich habe mich für

00:31:32: ein Jahr badornisch entschieden und das war eine Kooperation zwischen der Hochschule

00:31:38: badornisch, der Uni Magdeburg und der Uni Halle Wittenberg, also aus diesen beiden

00:31:45: ostdeutschen Hochschulen durften, ja wir glaube ich waren 60 Studierende im dritten

00:31:52: Studienjahr, also für ein Jahr, das dritte Studienjahr sollten wir an der Uni badornisch

00:31:56: verbringen und das war, ich bin abgereist im September 1999.

00:32:04: Mit Helga Katschmann haben wir ein Beispiel aus der frühen DDR gehört mit Jana Merzuk,

00:32:10: eine Biografie, die sich praktisch ganz zum Ende der DDR Zeit bewegt.

00:32:16: Jana Merzuk ist dann tatsächlich auch bis zur Promotion in Russland geblieben.

00:32:23: Es gab von der DDR aus natürlich auch die Möglichkeit das gesamte Studium, vor allem

00:32:27: in der Sowjetunion, aber auch in anderen sozialistischen Staaten zu absolvieren und dazu gibt es eine

00:32:35: eigene Episode in dieser Staffel.

00:32:39: Deutlich eingeschränkter waren die Möglichkeiten aber mit Blick auf andere Weltregionen und

00:32:46: jetzt kommen wir nochmal zu Klaus und Berbel Stark zurück, die ja in Leipzig, Arabistik

00:32:50: und Afrikanistik studieren.

00:32:52: während ihres Studiums in Leipzig waren da Aufwärtsaufenthalte vorgesehen und während des

00:32:59: Studiums eigentlich nicht, aber wir hatten ja das Glück, dass wir dann nach 1973 zeitlich

00:33:08: geworden sind. So ganz generell ganz meiner Afrikanistik gab es die Möglichkeit über die

00:33:15: FDR-Brigade. FDR ist die Freie Deutsche Jugend, also die Jugendorganisation der DDR, dass die mit

00:33:25: den Blauen Hemden und dem Sonnenhemd leben. Und die sozusagen, das war die Organisation,

00:33:36: die von der DDR aus auch im heutigen Sinne Entwicklungshilfe macht, also die als zur

00:33:44: Ausbildung, in der Regel Berufsausbildung, in anderen sogenannten Entwicklungsländer

00:33:53: ging. Ja, aber es ist nicht so wie heutzutage, dass ich mich sozusagen bewerbe. Ich will dahin,

00:34:08: was auch immer, sondern die FDR sagt, ich brauche, was weiß ich, Ausbilder für Tischler,

00:34:21: sonst irgendwas und fragt dann bei einer örtlichen Handwerkskammer oder so nach und sie brauchen

00:34:34: für diese FDR-Brigade, die ja alle, die ja im Ausland tätig sind und die Leute, die dort

00:34:42: tätig sind, die sind alle mehr oder weniger durch ein Crashkurs von höchstens in dreiviertel

00:34:53: Jahr auf ihren künftigen Einsatz vorbereitet und die konnten natürlich die Fremdsprache,

00:35:04: in der sie auch zum Teil unterrichten sollten, natürlich bei Weiten nicht so flüssig und

00:35:13: umfassend wie jemand, der das von der PIKA auf gelernt hat. Also wir haben die FDR-Brigaden

00:35:22: auch zumindest teilweise Dolmetscher gehabt. Die nannten sich Assistenten des Brigadeleiters

00:35:30: oder zumindest dann später in meinem Fall. Und zu so einem Einsatz konnte man auch während

00:35:39: des Studiums, also bei den Regionalwissenschaften, eine komplette Tonne von mir, der war der

00:35:48: erste, der ist in Kongo geklappt, also Kongo Prasawir. Dann eine andere Kommandettone von mir, der

00:36:00: ist in Somalia gewesen und ich war nach einer Halbprüfung, also zwischen Halbprüfung und

00:36:10: Diplomen war ich ein Jahr in Genere. Und in der Arabistik ist man nicht nach Damascus oder

00:36:21: Cairo oder Aden gegangen, um dort vor Ort Arabisch zu lernen? Nein, also ich denke wir waren der

00:36:29: erste Jahrgang überhaupt. Das stimmt. Also wir sind fertig geworden im März '74 und '73 war

00:36:41: dieser Grundlagenvertrag zwischen DDR und BRD, das heißt gab es dann die diplomatischen Beziehungen,

00:36:47: auch vor allem mit den arabischen Ländern und afrikanischen und da gab es dann die ersten

00:36:56: Kulturabkommen auch und über diese Schiene Kulturabkommen waren wir der erste Jahrgang, die

00:37:03: dann an andere Universitäten gehen konnten, also es waren welche in Damascus. Ich war im Irak,

00:37:11: ich weiß gar nicht, ob es jemand in Ägypten war, aber es waren ich glaube die Hälfte von unserem

00:37:17: Jahrgang sind anschließend ans Studium dann ins Ausland gegangen, aber im Verlauf des Studiums

00:37:27: war es nicht möglich. Also '73, '74 wurden dann massiv Botschaften der DDR eben auch aufgebaut

00:37:34: und in dem Sinn hatten wir einfach mal Glück vom Jahrgang her, dass also dann auch unsere

00:37:43: Ausbildung wirklich gebraucht wurde. Ja, Werbel Stark ist dann nach ihrem Studium an der Akademie

00:37:48: der Wissenschaften der DDR tätig und hat von dort aus die Möglichkeit zu einem einjährigen

00:37:53: Forschungsaufenthalt nach Bagdad zu gehen und Klaus Stark bekommt nach dem Studium eine Stelle an

00:37:58: der DDR Botschaft in Tanzania angeboten. Karsten Walbina haben wir auch schon kennengelernt. Er hat

00:38:05: auch in Leipzig Arabistik studiert, allerdings später in den 1980ern und ja, trotz der neuen

00:38:13: Möglichkeiten durch die Kulturabkommen war auch bei ihm ein Auslandsaufenthalt im Studium noch nicht

00:38:18: vorgesehen. Hattest du auch Auslandsaufenthalte in deinem Studium? Das war ja in der DDR ausgeschlossen,

00:38:24: also das in meinem Falle insbesondere, da ich sehr viele Verwandte in der Bundesrepublik hatte und

00:38:31: auch nicht bereit war, die Kontakte zu denen abzubrechen, Großmutter, Tanten, Onkel und damit

00:38:37: war eigentlich eine eine Reise aber auch später einmal beruflich eine Tätigkeit in der arabischen

00:38:41: Welt ausgeschlossen. Wir hatten keinerlei Auslandsaufenthalte. Es gab mal ein Angebot der

00:38:46: der Universität, ich denke, einen Shams einer Universität aus Cairo, wenn uns einen einjährigen

00:38:52: Auslandsaufenthalt zu ermöglichen, aber das wurde dann am Ende abgelehnt, also seitens der

00:38:57: Universitätsverantwortlichen. Nein, wir mussten also rein im Klassenraum arabisch sein. Mit vielen

00:39:03: arabischen Lehrenden, das war gegeben, aber eine Möglichkeit ein arabisches Land zu bereisen

00:39:11: oder dort ein Semester zu verbringen gab es nicht. Es gab ja auch kein DAD also. War das nicht

00:39:16: potenziell irgendwie frustrierend sich vorzustellen? Du vertiefst dich in die Regionen und in die

00:39:22: Sprache, aber du wirst nie dort hin reisen können. Das bleibt irgendwie abstrakt. Ja gut, der Mensch,

00:39:30: das Prinzip Hoffnung herrscht überall vor. Also man hat das nicht für das letztendliche Verdikt

00:39:37: genommen zu sagen, ich werde niemals die arabische Welt sehen, sondern man hat sich schon auch gesagt,

00:39:41: das wird schon irgendwie klappen, wie auch immer. Aber gut, während des Studiums war es

00:39:45: ausgeschlossen, aber damals gehört da natürlich auch ein Auslandsaufenthalt nicht zum Studienkonzept

00:39:52: irgendeines Studiums. Also es ist nicht so wie heute, wo man glaube ich ist wirklich als eine

00:39:56: massive Einschränkung empfinden würde. Ein Studium fand eben an einer Universität in dem Land statt,

00:40:02: wo man lebte und das war auch die klassische Form und Reisen waren dann eher etwas für die

00:40:07: postgraduelle Zeit. Also wenn man dann tatsächlich Wissenschaftler oder etwas werden wollte. Aber

00:40:14: meine ich konnte spanisch von der Schule und es gab auch Südamerika-Wissenschaften, Lateinamerika-Wissenschaften

00:40:22: in der DDR. Und ich hatte eine kurze Zeit überlegt, ob ich mich nicht dafür entscheiden soll. Da wäre es so

00:40:30: gewesen, dass man das erste Studienjahr in Kuba hätte verbringen können, wenn man schon spanisch

00:40:35: konnte, was ja in meinem Fall gegeben war. Das war natürlich schon ein großer Attraktion oder ein Wert,

00:40:44: den man gesehen hat. Allerdings die einzige Universität, die das angeboten hat, war in Rostock und das war

00:40:50: dann doch ein bisschen zu weit entfernt von meinem bisherigen Lebensmittelpunkt und ich war dann

00:40:55: eigentlich nicht gewillt sozusagen das aufzugeben. Ja genau an diesem Studiengang für Latin-Amerikanistik

00:41:01: in Rostock hat sich dann Kai Ezolt eingeschrieben, aber auch ihm wurde am Ende die Reise nach Kuba

00:41:09: nicht genehmigt. Während des Studiums musste man die besten und ausgewählt, um ein Jahr nach

00:41:17: Kuba zu gehen. Und jedes Jahr konnten, glaube ich, drei oder vier nach Kuba für ein Jahr gehen. Und

00:41:24: das war natürlich das Ziel, dass man, also man musste schon gut studieren. Und das Ziel war,

00:41:33: dann auch ins Ausland zu gehen. Ja, dass man mal ein Jahr ins Ausland geht. Und ich bin dann

00:41:41: vorgeschlagen worden, ein Jahr nach Angola zu gehen. Und wir sollten zu dritt daher und mussten dann

00:41:49: unsere Formulare ausfüllen und so. Und dann wurde ich zum Direktor gerufen und sagen, ob ich Probleme

00:41:56: mit dem Zoll hatte, hätte gehabt, hätte. Und ich sage, nee. Und da wusste ich, aber ich hatte mal

00:42:03: ein Brief an meinen Onkel im Westen geschickt und der ist kontrolliert worden. Und da stand drin,

00:42:10: ich wollte die und die Bücher haben. Und da weiß ich noch, da waren unter anderem, war da was von

00:42:18: solchen Nitzin und die marxistischen Blätter, die hatten eine Sonderausgabe über Entwicklungsländer.

00:42:24: Und die wollte ich, also die beiden Sachen hatte ich mir bestellt bei meiner Cousine. Aber ja,

00:42:31: ebenfalls durfte ich nicht nach Angola. Und das war Grund, dann nicht nach Angola zu tun. Ja,

00:42:36: offensichtlich. Mit Matthias Petzold schauen wir nochmal an die Arabistik der Uni Leipzig,

00:42:42: beziehungsweise der damaligen Karl-Marx-Universität Leipzig. Das Problem des Studiums war, dass ich

00:42:48: habe das Verglichen mit einem Medizinstudent, der nicht an den Patienten kommt. Das Bild ist

00:42:53: schief. Trotzdem, man hatte ja keine Möglichkeiten, auch keine Garantie, dann später auch in

00:43:00: Arabischer Welt tätig zu sein. Hattet ihr Kontakt zu arabischen Studenten in Leipzig? Die

00:43:06: gab es ja gerade am Herder-Institut. Am Herder-Institut Leipzig war da dankbar und die Zentralmensa war

00:43:12: der Ort, aller Orte. Da traf man sich und da aß man. Und die war wirklich groß. Und da waren

00:43:18: natürlich Syrer, Palästinenser und beide Leute geschlechts. Hattet ihr denn gab es Verbindungen

00:43:26: Freundschaften mit ausländischen Studierenden? Erinnerst du das so an der Uni Leipzig? Oder

00:43:31: waren die dann doch eher für sich? Die gab es. Ich hatte sie selber nicht oder kaum. Ich erinnere

00:43:38: mich, dass es Verfahren gab gegen Mitstudentinnen, das waren ältere Jahrgänger, die sich zu eng

00:43:46: mit ausländischen, etiopischen oder was weiß ich, in Beziehung mit Männern getreten waren.

00:43:54: Dann erinnere mich an schreckliche Verfahren, die ich dann verdrängt habe. Aber jetzt wurde

00:43:59: das wieder einstieg. Verfahren der Universität? Ja, Verfahren der Universität oder der Partei?

00:44:02: Es war unerwünscht. Ja, ja. Also sicherlich gab es da Grenzen dessen. Man wollte natürlich

00:44:08: sicherlich auch nicht, dass die Mädchen oder Jungen sich wegheiraten lassen und dann den

00:44:14: Ressourcen der DDR verloren gehen. Es war eben das schlimme, man wusste, du hast überhaupt

00:44:24: keine Chance, vielleicht mal in die arabische Welt zu kommen. Ja, vom Reisen in der Familie und

00:44:28: Reisen in Studium kommen wir jetzt zum Reisen im Beruf. Auch da wieder natürlich sehr starke

00:44:36: Beschränkungen. Einerseits, andererseits, aber auch mitunter Möglichkeiten. Es gibt einen eigenen

00:44:43: Begriff dafür, ob man beruflich reisen darf und wohin man reisen darf. Eine kleine Wissenschaft

00:44:51: für sich und gerade Menschen, die die DDR nicht erlebt haben, werden es vielleicht schwierig

00:44:57: finden, sich da hineinzudenken. Deshalb haben wir hier jetzt mal ein bisschen Erklärungen

00:45:03: herausgesucht. Wir lassen uns den Begriff des Reisekaders erklären von gelernten DDR-Bürgerinnen

00:45:12: und Bürgern, wie zum Beispiel Dr. Annette Kühn, die in Leipzig am Herder Institut unterrichtet hat

00:45:19: und sehr gerne schon im Studium ins Ausland gegangen wäre, aber sie war kein Reisekader.

00:45:26: War sie selbst im Ausland während ihres Studiums? Nein. Nein, das ist auch ein großes Problem

00:45:35: generell für mich gewesen. Gut, ich war mal in Park. Das waren meine Auslandsreise,

00:45:44: sozusagen, aber vorher war ich nicht. Ich wollte auch immer ins Ausland gehen, aber das kann

00:45:49: ich Ihnen nachher noch erzählen. Ich war kein Reisekader und die ausländischen Studenten

00:45:54: an der damaligen... Ich möchte für die Nachbewohnung kurz erklären, was ein Reisekader war. Ja, ein Reisekader.

00:45:59: Ein Reisekader war jemand, der berufen war, durfte im Ausland ins Ausland zu gehen. Also nicht jeder

00:46:11: konnte, dienstlich im Privat sowieso nicht, aber dienstlich im Ausland arbeiten. Das war die

00:46:17: Voraussetzung dafür? Na ja, die Voraussetzung dafür waren sicherlich wachliche Qualifikation. Ich weiß

00:46:25: aber nicht, ob das immer an erster Stelle stand. Da war natürlich die Parteilinie wichtig. Ich denke,

00:46:32: ins Ausland zu gehen war schon wichtig, dass man in der SED war oder in der Partei schon in der

00:46:39: SED war. Das war eine Bedingung. Staatstreue, das wurde ja von verschiedenen Seiten überprüft,

00:46:47: ohne dass man das so unbedingt merkte. Also ich weiß nicht, warum ich kein Reisekader war.

00:46:55: Ich habe in den Studentenzeiten auf der Buchmesse regelmäßig für Bertelsmann gearbeitet. Kann

00:47:05: sein, dass das ein Grund war. Man wurde dann ja auch überwacht oder was was ich. Wenn Sie hätten

00:47:12: reisen können, wo hätten Sie gerne studiert? Also, wo hätte ich gerne studiert? Oder hätten

00:47:21: Sie gerne Auslandsaufenthalt verbracht im Rahmen des Studiums, nicht touristisch? Im Rahmen des

00:47:25: Studiums, sicherlich wäre ich gerne in die Sowjetunion gegangen. Wissen Sie, der Horizont war

00:47:32: ja auch nicht so. Was wusste ich denn, was in Frankreich war oder in Spanien oder in den USA?

00:47:37: Das waren Horizonte. Die waren eigentlich damals für mich gar nicht so da. Ich wäre sehr gerne in

00:47:46: diese Wettung gegangen, muss ich sagen. Mein Mann hat in Tbilisi eine Weile studiert und wir waren

00:47:52: eigentlich da sehr abgeschlossen. Aber ich bin eines Tages auch, da war ich schon am Herderinstitut

00:47:58: angestellt in diese Kaderabteilung. Heute heißt das Personalabteilung gegangen und da muss ich

00:48:04: gerne im Ausland arbeiten. Und da hat der damalige Kaderleiter, ich verwende mal diese Wörter,

00:48:11: hat der damalige Kaderleiter, hat Dr. Kötz gesagt, also Frau Kühn, man fragt nicht, ob man gehen kann.

00:48:20: Man wird gefragt und Sie werden nicht gefragt. Ich weiß es nicht. Es hat mich schon bedrückt,

00:48:29: muss ich sagen, weil ich ja im Ausländerumfeld auch in der Sektion bei den Germanisten tätig war.

00:48:35: Ich habe sehr viele ausländische Studenten unterrichtet, Germanisten, dann später auch

00:48:40: Mediziner, nicht nur aus den sozialistischen Ländern, die kommen ja dann auch aus Entwicklungsländern,

00:48:46: Vietnam, Laos. Ja, Stichwort sozialistische und nicht sozialistische Länder. Unser D-Kollege

00:48:53: Holger Finken ebenfalls in der DDR geboren und dann nach dem Studium dort an der TU Freiberg

00:49:00: in der Abteilung Internationale Beziehung tätig. Der hat uns auch nochmal im Interview erklärt,

00:49:05: was es mit den Reisekardern und den Abkürzungen SW und NSW auf sich hatte. Die Seite SW Reisekarder

00:49:15: kann ich nichts dazu sagen, weil das ich selbst natürlich auch war. Ich hatte ja in Moskau

00:49:20: studiert. Woher steht SW? Sozialistisches Weltsystem und das war im Prinzip auch trivial, weil da

00:49:27: hätte man privat ja auch hinfahren können. Das eigentlich Interessante war NSW, nicht

00:49:32: zu des Weltsystems und das waren also die Reisen in Länder der westlichen Welt und das war eine

00:49:39: ziemlich hochhängende Frucht. Wer durfte nach NSW? Ja, das konnte man, also die ideale Methode,

00:49:49: das zu erreichen war, weil man sowohl als politisch zuversässig rüber kam. Die Frage war ja immer,

00:49:55: ob jemand dann auch wieder kam. Wir waren ja alle und das wussten wir auch alle, wenn wir nicht

00:50:01: ganz auf den Kopf gefallen waren, Deutsch im Sinne des Grundgesetzes, konnten also in den beliebischen

00:50:05: westlichen Landen die Botschaft gehen und uns einen Pass geben lassen, nämlich mal an, also mehr

00:50:10: oder weniger war es so. Und die Idee der Regierung hat also immer fürchten müssen, dass gute Fachleute,

00:50:18: die sie auch inhaltlich gut gebrauchen könnten, dann auf diesem Weg ihr verloren gehen und deswegen war

00:50:25: also politische Zuverlässigkeit sehr erwünscht, um das zu werden. Auf der anderen Seite musste man

00:50:32: als NSW-Kader naturgemäß eben auch inhaltlich was zu bieten haben. Sonst hätte die Reise ja

00:50:40: keinen Sinn gemacht. Es sei denn, man war da MFES-Manager mitgeschickt. Aber die vielen glaube ich

00:50:48: wieder unter einer anderen Kategorie. Prof. Ursula Hirschfeldt war Dezentin im Lapsiger Herder

00:50:55: Institut und ihr wurde in Aussicht gestellt, nach Kuba Reisen zu dürfen. Dazu sollte sie aber

00:51:02: erst mal ordentlich Spanisch lernen und sie erzählt uns jetzt, was dann tatsächlich geschah. Als ich

00:51:09: ans Herder Institut kam, das Herder Institut hat ja Nektoren ins Ausland geschickt, vergleichbar mit

00:51:18: den Goethe-Instituten, wobei das Herder Institut ja eine universitäre Einrichtung war, im Gegensatz

00:51:26: zum Goethe-Institut. Da wurde mir gesagt, es wäre gut, wenn ich Spanisch lernen würde, weil sie mich

00:51:39: gern später nach Kuba schicken würden als Lektorin des Herder Instituts. Ich habe also angefangen,

00:51:45: Spanisch zu lernen. Das wurde am Herder Institut. Wir waren also eine Spanisch-Gruppe mit 5, 7 Leuten und

00:51:57: haben ganz intensiv Spanisch gelernt. Wir wurden dafür teilweise vom Unterricht freigestellt und

00:52:02: haben Spanisch gelernt und da habe ich gedacht, ja, also warum soll ich das nicht zu meinem Thema

00:52:09: machen? Jetzt habe ich mich so intensiv mit dem Spanischen beschäftigt und ich habe also eine

00:52:14: kontrastive Analyse spanish-deutsch gemacht mit einer ausführlichen empirischen Analyse von

00:52:23: Aussprachefehlern bei kubanischen Deutschlernenden. Und dann, als ich fertig war, dann kam ja noch das

00:52:33: Kind und dann habe ich immer gefragt, ja, wann kann ich denn nun mal nach Kuba? Es war ja so,

00:52:38: dass dann die Familie auch mitgegangen ist. Man könnte dann mal nach Kuba und da wurde immer

00:52:45: gesagt, ja, wir haben das schon noch im Blick, aber im Moment hat das Ministerium nicht zugestimmt.

00:52:51: Und das Ministerium hat nie zugestimmt. Ich bin also niemals nach Kuba gekommen und ich bin auch

00:52:57: sonst nicht als Lektorin ins Ausland durfte ich auch sonst nicht gehen. Erst zwei Jahre vor dem

00:53:09: Ende der DDR bin ich nach Polen gekommen, weil man dringend jemanden sucht, der tatsächlich

00:53:16: Phonetik dort machen konnte. Das war, und da gab es nicht so viele. Deshalb hatten wir mich dann

00:53:22: ausgelassen und ich bin nicht delegiert worden ins Ausland, weil ich in keiner Partei war. Das heißt,

00:53:31: ich galt als politisch nicht zuverlässig. Und man hat mir offiziell aber gesagt, es liegt daran,

00:53:41: dass mein Vater bei der Nationalen Volksarme war und er Geheimnisträger war und ich deshalb nicht

00:53:48: ins Ausland durfte, aber mein Vater, der ist schon kurz nachdem ich am Herder Institut angefangen

00:53:58: habe, gestorben und hat alle seine Geheimnisse auch mit ins Grab genommen. Es war ganz eindeutig

00:54:05: eben, dass ich nicht in der Partei war. Das Herder Institut hatte ja 300 Mitarbeiter ungefähr

00:54:14: und es gab ab und zu eine Vollversammlung. Und am Ende dieser Vollversammlungen wurde dann gesagt,

00:54:23: also die Genossen bleiben noch hier und die anderen, die können schon gehen und dann sind wir zu

00:54:29: fünf oder sechs draus gegangen. Und wenn man aber Partei mit Lied war, dann war es einfacher,

00:54:35: die Lied zu werden. Alles einfacher. Also mit bestimmten Perspektiven hätte ich überhaupt nicht gehabt.

00:54:41: Die waren dann erst nach 1990 für mich möglich. Habt ihr das schon als Einschränkungen?

00:54:50: Ich hatte erst starke Einschränkungen. Ich hätte das so jederzeit beenden können. Man hat mich

00:54:55: schon geworben und hat gesagt, du bist doch für die Entwicklung im Land, wenn du hier was erreichen

00:55:01: willst, du musst in die Partei gehen. Als Außenstehende kannst du nichts erreichen. Und das haben

00:55:06: Kolleginnen und Kollegen gesagt, die ich wirklich sehr geschätzt habe, sehr geschätzt habe. Auch mein

00:55:11: Doktorvater in Halle hat das gesagt. Aber ich wollte einfach mir selbst gegenüber ehrlich bleiben

00:55:21: und habe auch Gleichgesinnte gehabt unter Freunden und Freunden und Kolleginnen und Kollegen auch

00:55:30: von der Familie. Auch mein Mann war nicht in der Partei. Wir fanden das einfach ehrlicher und

00:55:37: aufrichtiger für uns selbst. Und praktisch den Preis haben Sie bezahlt? Ja, das waren Einschränkungen,

00:55:48: aber ich habe die nicht so schmerzhaft empfunden, denn ich durfte meine Arbeit machen. Da gab es

00:55:53: überhaupt keine Einschränkungen. Ich durfte Forschen, ich durfte mein Unterricht machen. Ich

00:55:57: durfte auch für das Herder Institut nach Bulgarien, Polen, Russland, Tschechien,

00:56:04: Silberkei reisen, also in die sozialistischen Bruderländer. Das durfte ich alles. Ich bin

00:56:13: gefördert worden, ich bin anerkannt worden. Es gab Wertschätzung mir und dem, was ich gemacht

00:56:20: habe gegenüber. Ich hatte tolle Kolleginnen und Kollegen. Da gab es überhaupt keine

00:56:26: Voreingenommenheiten, aber letzten Endes war es halt so. Ja, wir haben gehört, dass für Professor

00:56:32: Hirschfeld das genehmigte Lektorat in Polen in der Endzeit der DDR schon ein Durchbruch war.

00:56:39: Da kam sie dann etwas weiter rum, aber so richtig in die Welt gereist ist sie erst nach der

00:56:48: Wiedervereinigung und dann aber wirklich sehr stark angefragt von Goethe-Instituten. Ich glaube,

00:56:55: sie hat mir gesagt, dass sie über 60 reisen übernommen, unternommen hat, um Goethe-Instituten

00:57:03: in Deutschabteilung in der Phonetik, für die sie an eine Chorophäe ist, weltweit zu unterrichten.

00:57:10: Ja, wir hätten im Kasten noch viele weitere Ohrtöne von Interviewen, die auch beruflich in

00:57:16: der DDR ins Ausland durften, aber machen an dieser Stelle mal einen Kart und wollen zum

00:57:24: Schluss noch mal einen Blick darauf werfen, was die Wende für die Interviewen eben gerade

00:57:29: hinsichtlich der Reisefreiheit bedeutet hat, privat wie auch beruflich. Genau. Wir haben ja

00:57:40: auch in diesem Projekt eine eigene Episode zur Wende und zum Mauerfall. Wer sich also

00:57:45: dafür besonders interessiert, dem sei das noch mal ans Herz gelegt. Wir wollen jetzt hier zum Abschluss

00:57:50: einfach nochmal drei kurze Schlaglichter werfen und fangen an mit Kai Franke. Wir erinnern uns,

00:57:57: der durfte als Kind schon in den Kaukasus reisen mit dem Auto und seinen Eltern und er macht noch

00:58:03: mal klar, dass er mit der Wende dann plötzlich ja nicht nur der Westen offen stand. Bist du auch in

00:58:09: den Westen gereist im Jahr 1990? Ja, Koppenhagen, Paris. Du hast halt mitgenommen, aber das war in

00:58:23: dem Moment für mich gar nicht mehr so spannend, weil das war dann so schnell alles möglich und

00:58:29: doch sehr normal europäisch. Also mich zog es dann schon in andere Länder. Also ich fand

00:58:38: Orient und wie man sagt, sowerdischen Orient interessanter in der Zeit. Oder auch Balkan habe

00:58:45: ich auch besucht. Also diese Freiheit hat sich ja für uns auch in diese Länder ergeben. Wir

00:58:51: konnten ja früher auch nicht nach Jugoslawien fahren oder wir konnten auch nicht, wie wir wollten,

00:58:55: in andere Länder fahren, auch in die so gesamten Bruderländer. Das mussten wir immer alles vorher

00:58:59: beantragen. Also die Reisefreiheit erstreckte sich halt auf die ganze Welt und nicht nur auf

00:59:06: Westeuropa. Ja, und unsere heutige DRD-Kollegin Anke Stahl, die haben wir jetzt bisher in dieser

00:59:11: Folge noch nicht gehört, aber was Kai Franke gerade gesagt hat, das betraf sie auch ganz stark. Ihr

00:59:17: wurden zu DDR-Zeiten auch Urlaubsreisen in die sogenannten Bruderländer nicht genehmigt. Und

00:59:23: sie merkt dann 1989, dass sich vielleicht doch was tut politisch. Vielleicht kann ich noch mal

00:59:29: ein paar Monate zurückblicken. Der Sommer 1989, das war nämlich der erste Sommer, als sich das

00:59:36: sich überhaupt ein Visum für ein sozialistisches Bruderland, nämlich nach Bulgarien, Rumänien und

00:59:42: Ungarn, bekommen hat und mit meiner Schwester dort mit Zelt und Rucksack unterwegs gewesen

00:59:47: bin. Und die Schwierigkeit war jetzt das Ausreisevisum von der DDR-Seite. Richtig, also sich

00:59:52: ein Visum für diese Länder überhaupt bekam, die Jahre davor war es immer abgelehnt worden,

01:00:00: aber 1989 hatten wir beide ein Visum bekommen und waren also mit dem Rucksack unterwegs und hatten

01:00:06: auf der Reise sehr, in Bulgarien sehr viele DDR-Bürger kennengelernt, die sich alle mit den

01:00:14: Gedanken getragen haben, dass sie dann nur noch bis Budapest zurückreisen und dann irgendwie versuchen,

01:00:21: das Weite zu suchen. Und wir kamen nämlich genau am 20. August 1989 in Budapest an mit dem Zug. Das

01:00:30: war der Tag dieses pangeuropäischen Picknicks in Chopra, wo der Zaun niedergetrampelt worden war und

01:00:37: so eine Art erste Massenflucht stattgefunden hatte. Und wir wurden in Budapest gefragt auf der

01:00:46: Straße, wenn sie merkten, wir kamen aus der DDR, gehen sie zurück oder gehen sie nach Österreich.

01:00:51: Und von der Gruppe - Normale Leute haben das gefragt? - Ja, die Ladenbesitzer oder wo wir

01:00:57: eingekauft haben, also das war schon eine spezielle Atmosphäre. Und von unserer Gruppe, die wir da auch

01:01:04: kennengelernt hatten, sind glaube ich sieben Leute in Budapest zurückgeblieben und sind dann erfolgreich,

01:01:13: haben die Grenze zu Österreich überquert, im August 1989. Und dann begann irgendwie, da ging es so

01:01:21: Schlag auf Schlag, man hat in der DDR das noch tapfer versucht zu ignorieren, was da sich in den

01:01:29: Städten und an den Grenzen und im Ausland abspielt in der Czechoslovakia, in Polen, den Botschaften.

01:01:35: Und ich war im September noch mal in Prag, hab die ganzen leeren Verlassene Trabanz da gesehen

01:01:43: rund um die Kleinseite, die die Leute da einfach zurückgelassen hatten, weil sie sicher auf das

01:01:49: Botschaftsgelände geflüchtet hatten. - Wann bist du selbst das erste Mal nach Westdeutschland gereist?

01:01:55: Ich war schon im März 1989 in Westdeutschland, da wurde nämlich mein Vater 50 und die DDR hatte,

01:02:07: ich meine das war 89, ein Gesetz erlassen, eine Bestimmung erlassen, dass man ab dem 50. Geburtstag

01:02:19: zu verwandten ersten Grades reisen konnte und ich bekam tatsächlich so ein Pass, ich hatte ja

01:02:25: keinen Pass bis dahin und ich bekam also einen Pass für diese Geburtstagsreise zu meinem Vater

01:02:31: im März 1989, den musste ich allerdings danach wieder abgeben. - Also du warst schon mal über die

01:02:42: Schwelle, wo das Gras dann grüner war und die Luft nicht so verschmutzt und es ist überein nach

01:02:49: Westenrock. - In welcher Stadt lebte dein Vater? - Mein Vater lebte damals im Westerwald, also

01:02:56: lebt auch heute noch im Westerwald und wir sind dann in Bonn gewesen, das ist ja nicht weit und

01:03:05: am Rhein, also alles mögliche, hat mir so viel wie möglich hier gezeigt, Koblenz und die Burgen und

01:03:13: Limburg, also was man eben in so einer Woche machen konnte, Köln, da bin ich angekommen mit dem Zug,

01:03:20: den Dom direkt neben dem Bahnhof, das ist schon etwas was man so nie vergisst, dass man da plötzlich

01:03:29: neben dem Kölner Dom aussteigt und den man nur von einer Postkarte kennt und nicht geglaubt hat,

01:03:37: dass man bevor man sein 60. des Lebensjahr erreicht, dieses Gebäude mal wirklich sehen kann.

01:03:43: - Auch Kastenvalbina macht noch mal klar, warum das Ende der DDR für viele Menschen zurecht als

01:03:51: Wende bezeichnet werden darf und mit seinem Zitat wollen wir die heutige Episode auch beenden.

01:03:59: Ich habe Kasten gefragt, wann er in der DDR zum ersten Mal mit der arabischen Welt in

01:04:05: Berührung kam und als er dann dort auch hinreisen und arbeiten durfte, ob er dort dann noch Spuren

01:04:12: der DDR vorgefunden hat. - Ich weiß, dass die ersten Araber, die ich jemals in meinem Leben

01:04:19: getroffen habe, das waren einige aus meiner Sicht damals ältere Herren aus Syrien,

01:04:25: ich vermute mal, sie waren so um die 40, aber wenn man selber sechs ist oder so, dann sind das

01:04:30: ältere Herren, die waren für einen Kurs in irgendwas an der Fachschule meines Vaters und der

01:04:37: hatte sie mal zu uns zum Kaffee trinken eingeladen und sie brachten uns dann so ein Mosaik-Schächtlichen

01:04:43: mit, in dem dann meine Eltern ihre Zigaretten aufbewarten, sodass immer ein orientalisches

01:04:49: Accessoire in unserer Wohnung zu finden war. Wenn man mal davon absieht, dass die DRD Außenstelle,

01:04:57: in der ich jetzt arbeite, die ehemalige Residenz des DDR-Botschafters ist, was mich immer wieder

01:05:05: zu einem etwas bizarren Gedanken anregt, weil ich mir sage, wenn mir mal eine Wahrsagerin als

01:05:12: 10-Jährigen gesagt hätte, du wirst einmal der Chef in der Residenz des DDR-Botschafters sein,

01:05:19: hätte ich gesagt, das kann ich sein, weil ich werde garantiert, nie DDR-Botschafter in irgendeinem

01:05:23: Land und das ist einmal die DDR nicht mehr geben könnte und ein anderer Hausherdort das sagen hat,

01:05:29: das wäre für mich ebenso unvorstellbar gewesen.

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