D+D+R = gleiche Chancen für alle? Das Bildungssystem der DDR | Staffel 1 Folge 8

Shownotes

🎙 Die DDR und wir im DAAD – Folge 8

Staffel 1: Hinter der Mauer die Welt

Wie prägte die Schulzeit in der DDR die Lebenswege junger Menschen? Alexander Haridi und Elke Hanusch (DAAD) beleuchten, wie die Schulorganisation und die soziale Herkunft die Bildungsmöglichkeiten beeinflussten und welche Spannungen zwischen Förderung und Ausgrenzung bestanden.

🌍 Hintergrund

Auch in der DDR hing der Bildungserfolg stark von der Herkunft ab: Kinder aus Arbeiterfamilien konnten auf staatliche Unterstützung zählen, während Kinder aus bürgerlich-akademischen oder kirchlich engagieren Familien oft vor Hindernissen standen. Helga Katzschmann, spätere DAAD-Mitarbeiterin, erinnert: „Was ich geworden bin, verdanke ich der DDR.“ Professor Ruth Leiserowitz, Pfarrerskind, war trotz hervorragender Noten der Weg zum Abitur und damit auch zum Studium versperrt. Sie konnte erst nach dem Mauerfall studieren.

💬 Die Folge zeigt, wie soziale Rahmenbedingungen und Herkunft den Zugang zu Studium und beruflichen Chancen in der DDR bestimmten.

📌 Themen dieser Episode

• Organisation der Schulzeit in der DDR • Einfluss sozialer Herkunft auf Bildungserfolg • Spannungsverhältnis zwischen Förderung und Ausgrenzung

🎧 Über das Projekt

DAAD-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter haben das Projekt anlässlich des 100-jährigen DAAD-Jubiläums entwickelt und umgesetzt, unterstützt durch Studierende und Kommunikationsprofis aus Ost- und Westdeutschland.

🖥️ Formate

Podcast 🎙 | Video-Serie 🎥 | Online-Archiv mit Zeitzeugeninterviews 📖

DAAD-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter haben das Projekt anlässlich des 100-jährigen DAAD-Jubiläums entwickelt und umgesetzt, unterstützt durch Studierende und Kommunikationsprofis aus Ost- und Westdeutschland.

🔗 Weitere Informationen:

🌐 Webseite: http://www.daad.de/ddrundwir

🎥 YouTube: https://www.youtube.com/channel/UC-wnTIo38qxMCUa1VOR6Q

📧 Kontakt: ddrundwir@daad.de

Transkript anzeigen

00:00:00: Ich hatte natürlich auch Vorurteile, genauso wie jeder in einem nicht-sozialistischen Land,

00:00:05: der aufgewachsen und sozialisiert ist, hatten wir immer wieder gesagt bekommen, dass im

00:00:10: Sozialismus, das ist ja alles einheitlich, unser Englisch-Lehrer aus Großbritannien,

00:00:17: zum Beispiel der als Lehrer bei uns in der Schule war, durch Entwicklungshilfe damals

00:00:22: hat man Lehrer in den Länder geschickt, also die dann dort als Lehrer tätig waren,

00:00:28: von Frankreich, aus Großbritannien auch, aber Deutschland auch.

00:00:31: Weil Jungpionier, ich war Thielmann-Pionier und ich war dann auch die Jötlerin.

00:00:36: Ich war ja polnisch-staatsangehöriger, aber mein Gott, wieso nicht etwas beitreten, was total cool ist.

00:00:43: Es hätte auch keinerlei Vorteile erbracht, weil es sowieso eine Zeit war, in der sehr stark,

00:00:54: in den DDR-Strukturen nach sozialer Herkunft gewertet wurde.

00:01:00: Wenn man ein Arbeiter- und Bauernkind war, dann hatte man alle Chancen für einen Studienplatz

00:01:06: und als Fahrerskind konnte man nie ein Arbeiter- und Bauernkind sein.

00:01:11: Das, was ich geworden bin, verdanke ich der DDR.

00:01:20: Die DDR und wir im DAAD. Eine Zeitzeugenbefragung. Folge 8. D plus D plus R. Gleich gleiche Chancen für alle?

00:01:31: Hier sind wieder vom DAAD Alexander Haridi und Elgaranus zu einer neuen Episode in die DDR und wir im DAAD.

00:01:41: Und heute beschäftigen wir uns mit Kindheit, Schulzeit auf dem Weg zum Abitur in der DDR.

00:01:49: Und man könnte fragen, wieso beschäftigt sich der deutsche akademische Austauschdienst, der ja per Definition im Hochschulbereich aktiv ist?

00:01:58: Wieso beschäftigt sich der mit Kindheit und Schule?

00:02:02: Zum einen sind Kindheit und Schule prägende Zeiten im Leben von uns allen.

00:02:11: Und die Personen, die wir hier hören werden, haben als Ziel, selbst oder gesetzt bekommen, ein Studium aufnehmen zu wollen oder zu müssen.

00:02:25: Das heißt, ohne Abitur kein Studium, ohne Abitur keine Schulzeit und der Beginn der Schulzeit ist gepaart mit Kindheitserinnerung.

00:02:37: Und die Stimmen und Erfahrungen, die wir heute hören werden, haben wir geschöpft aus den 60 biografischen Interviews, auf die wir uns hier stützen in der ganzen Staffel.

00:02:50: Und die meisten der Personen, die heute zu Wort kommen sind, tatsächlich DAAD-Kolleginnen und Kollegen aus verschiedenen Hintergründen, aus dem Osten von Deutschland, aus dem Westen von Deutschland und auch aus dem Ausland, aus dem internationalen Netzwerk.

00:03:07: Wir hören auch ehemalige, also Alumni, also Geförderte des DAADs und auch eine Wissenschaftlerin.

00:03:15: So ist es. Und dabei werden wir feststellen, dass Kindheits- und Schulerfahrungen ganz stark divergieren, dass wir bei Personengruppen Chancen auf Bildung wahrnehmen, die heute eher am Rand stehen.

00:03:39: Andere wiederum werden berichten, welche Bildungschancen ihnen verwehrt blieben und welche Alternativen für sie möglich waren.

00:03:49: Wir werden erfahren, dass soziale Herkunft, wie heute auch, eine große Rolle spielt, wenngleich eine andere Rolle.

00:03:59: Vielleicht mit anderen Vorzeichen. So ist es. Genau, genau. Andererseits hinzukommt, dass wir hören, welch große Wichtigkeit Leistung hatte.

00:04:15: Gute Leistungen spielten eine Rolle, waren aber nicht immer der Schlüssel zum Erfolg. Und wir werden in dem Zusammenhang hören, welche Vorteile beim Zugang zu Bildung in der DDR bestanden.

00:04:34: Wir werden Erinnerungen von Personen hören, die in der Schule, in ihrem Heimatland über die DDR erfahren haben.

00:04:45: Wir werden auch Erinnerungen von Personen wahrnehmen, die aus anderen Ländern kamen und in der DDR zur Schule gegangen sind, ganz, ganz spannend, wie ich fand.

00:04:55: Und natürlich werden wir von vielen Personen hören, die in der DDR zur Schule gegangen sind als deutsche DDR-Bürgerinnen und Bürger.

00:05:08: Wir gehen jetzt ein bisschen in die Chronologie und zurück, also betrachten die 50er Jahre. Und hier hören wir zwei unserer Kollegen aus dem DRD, die beide die DRD-Außenstelle in Hanoi, Vietnam, geleitet haben

00:05:29: und dort in Kontakt gekommen sind mit Vietnamesen, die in den 50er Jahren zur Fulausbildung in der DDR genauer in Muritzburg bei Dresden waren.

00:05:42: Und die sehr positiv darüber berichten, wie sie in ihrer Arbeit an der DRD-Außenstelle in Hanoi profitiert haben von den positiven Erfahrungen dieser vietnamesischen Kinder damals in den 50ern in der DDR.

00:06:01: Das sind natürlich Karakinder gewesen. Man muss sich einfach vorstellen, Vietnam in den 50er Jahren bitterarm und für die war die DDR in der damaligen Zeit eine heile Welt.

00:06:14: Plötzlich mussten sie nicht mehr hungern und sie bekamen eine Ausbildung und sie mussten auch nicht um ihr Leben fürchten.

00:06:22: Das waren so 11, 12, 13-jährige Kinder, die dann nach Muritzburg gegangen sind. Und wenn man heute mit denen spricht, das sind rührende Gespräche, das sind ja heute alte Leute, dann merken, was für eine Liebe zu Deutschland da ist, was für ein positives Deutschlandbild, die mitbringt.

00:06:41: Aber in Lebensbedingungen, Lebensumständen, die sie wie befreiend erlebt haben.

00:06:46: Also das sind Situationen, die ich erleben durfte in Gesprächen, die mich tief berührt haben und die mir beigebracht haben, wo ich gelernt habe, da gibt es ein Erbe, was die DDR zugrunde gelegt hat, was sehr positiv ist und von dem wir heute unter anderem in den akademischen Beziehungen profitieren.

00:07:10: Jetzt möchte ich doch erstmal von Ihnen wissen, Frau Stahl, kommen Sie aus Ost- oder aus Westdeutschland. Das war 2013.

00:07:18: Da habe ich gesagt, ich komme ursprünglich aus der ehemaligen DDR, ich komme aus Halle. Und da ging ein Lächeln über sein Gesicht und gesagt, mein Sohn studierte in Halle und er ist auch da geblieben und irgendwie hatte ich das Gefühl, dass das plötzlich dann wieder eine Rolle spielte in Vietnam,

00:07:39: wo man aus welchem Teil Deutschlands man kam. Und ich meine, es ist ja kein Geheimnis, es ist eine kommunistische Diktatur.

00:07:47: Und ich habe plötzlich wieder Verhaltensweisen bei meinen vietnamesischen Kollegen wahrgenommen, dass man, wenn man sich nicht ganz sicher war, ob das vielleicht nicht laut gesagt werden sollte,

00:08:03: dass man erstmal diesen typischen Blick über die Schulter macht, um zu gucken, wer steht neben mir, wer steht hinter mir, wer könnte das eventuell hören.

00:08:12: Und da habe ich immer gedacht, ah ja, das habe ich früher auch gemacht. Das war schon so eine Art Erinnerung, so eine Zurückversetzung in einer Zeit, wo eben Erinnerungen wieder hoch kam,

00:08:27: die man dachte, man hat sie nicht mehr oder man hat sie verdrängt oder dergleichen. Und die vielen Aluministen gab damals 7000 hatten wir in der Datenbank.

00:08:39: Also es ist schon sehr, sehr viel, die teilweise zurückreichten bis in die 50er Jahre, also wenn man die Moritzburger Alumni, von 55 und 56, damit sie immer noch eine große Gruppe sind.

00:08:53: Und ich habe, also wir haben sehr viel Aluminiarbeit natürlich gemacht und ich habe sehr, sehr viele Alumni im ganzen Land kennengelernt.

00:09:03: Jetzt machen wir einen relativ großen zeitlichen Sprung von den 50ern.

00:09:10: Gehen wir in die 70er, 80er Jahre. Wir hören zwei Personen, die aus anderen Ländern kamen, um in der DDR, in die Schule zu gehen, beide zur gleichen Zeit, wie gesagt, Ende der 70er Anfang der 80er und die sich daran sehr, sehr lebhaft erinnern.

00:09:33: Wir hören Katarzyna aus Polen und Heber aus Ägypten. Und zu Beginn erfahren wir, warum Katarzyna mit ihren Eltern in die DDR kam.

00:09:45: Also geboren bin ich in Lodz, Litzmannstadt, wobei als Zweijährige bin ich nach Wascha umgezogen oder es sind meine Eltern nach Wascha umgezogen.

00:09:57: Und mein Vater wurde in Sand in die DDR als Vorsitzender der polnischen Jugend.

00:10:07: Das heißt, es gab eine Entsprechung der freien deutschen Jugend aus DDR-Zeiten, der FDJ, hier in Polen.

00:10:14: Das war ZDF, Sviąsek, Socialisticzne, "Modernische Polskie". Da hört man schon das Wort "Sozialisticzne", das heißt der Verein der Socialistischen Polnischen Jugend.

00:10:24: Und mein Vater wurde in Sand in die DDR als Vorsitzender dieses Vereins in der DDR. Also nicht Gesamtpolen, nicht Welt oder so was, sondern halt in der DDR.

00:10:34: Und das war im Jahr 79, Anfang des Jahres 1979 und ich bin dann 79 in eine DDR-Schule gegangen, die Clara Zetkin Oberschule in Leipzig.

00:10:52: Und daran schließt sich Heber an, die berichtet, warum und wo sie zur Schule gegangen ist in der DDR.

00:11:00: In Ostberlin war das nicht für Heber.

00:11:02: Ich bin Anfang der 70er Jahre in Cairo geboren. Meine Eltern waren beide Angestellte an der Cairo-Universität.

00:11:13: Mein Vater später auch im Hochschulministerium und im Obersten Universitätenrat, das ist so das Gegenstück zur HIK in Deutschland.

00:11:23: Und ja, erst mal so aus der bürgerlichen Mittelschicht in Ägypten und mein Vater wurde dann, 1978, hatte er ein Posten bekommen für die Kulturabteilung der ägyptischen Botschaft in der DDR.

00:11:46: Und da begann so die erste Berührung quasi mit Deutschland und mit dem deutschen Bildungssystem, damals eben in Ostberlin.

00:11:55: Und ich war damals 5,5,6 Jahre alt und wurde dann auch in der DDR eingeschult und habe dort vier Jahre meiner Schulzeit verbracht.

00:12:05: Beide Katharina und Heber sind ja heute Kollegen im DRD. Als ausländische Kinder in einer deutschen DDR-Schule waren sie schon etwas Besonderes.

00:12:20: Sind sie ja heute immer noch, aber?

00:12:23: Ja, also besondere Persönlichkeiten sind sie besonders, das haben wir gehört. Aber es war schon ein besonderer Fall und war nicht der Regelfall, dass Kinder aus anderen Ländern auf der Schulbank saßen in den 70er, 80er Jahren der DDR,

00:12:38: sondern das war schon etwas Spezielles, etwas Außergewöhnliches und den beiden ist bewusst, dass die auch irgendwie speziell sind.

00:12:49: Heberpferd lebt in Ostberlin mit ihren Eltern und sie darf am Wochenende nach Westberlin reisen, was ihren Mitschülerinnen und Mitschülern nicht möglich ist, verwehrt ist.

00:13:01: Und auch Katharina wird nicht mit Samtahnschulen angefasst, aber schon als Gastkind besonders protegiert von ihrer Lehrerin.

00:13:10: Und behütet.

00:13:12: Dazu gibt es zwei schöne Interviewauszüge, die wir uns einfach mal anhören sollten.

00:13:18: Das einzige Mal, das war das aller Einzige Mal, wir hatten irgendwie so ein Spottwettbewerb und man musste sich da irgendwie an so einem Seil über seinem See hameln.

00:13:34: Eine Freundin von mir ist reingefallen in den See, das war im Winter, und ich nicht.

00:13:40: Ich kann mich erinnern, dass unsere Schuldirektorin leise zu einer Lehrerin sagte, ich habe es gehört, Gott sei Dank, dass die Kosselack nicht reingefallen ist, dann hätten wir aber Probleme.

00:13:51: Ich weiß gar nicht, woher die Probleme kommen sollten. Mein Vater war kein hohes Tier und ich habe nie verstanden, wieso sie das gesagt hat.

00:14:03: Aber das Gefühl oder das ist diese Unterschiede, hatte ich hier auch schon in Deutschland, weil du hast natürlich auch als Diplomatenfamilie ganz anderen Zugang zu BRD.

00:14:13: Und natürlich habe ich auch mit erlebt, wie ich im Unterschied zu anderen Klassenkameraden problemlos am Wochenende nach Westberlin fahren konnte und gewisse Dinge mir leisten konnte, die man in meiner Klasse damals nicht kannte.

00:14:28: Also dieser Unterschied war mir vorher schon bewusst.

00:14:31: Wir haben jetzt gehört, wie zwei Personen, die aus anderen Ländern kamen, sozusagen deren regionale Herkunft sie besonders gemacht haben in der DDR.

00:14:48: Wir wollen jetzt mal so ein bisschen schauen auf die Unterschiede, die die soziale Herkunft von Personen im DDR-Schulsystem ausmachen konnte.

00:15:03: Und beginnen wollen wir da mit der ehemaligen DRD-Kollegin Helga Katschmann, die ganz plastisch ihre Herkunft schildert.

00:15:18: Ja, also ich sage mal ganz ehrlich, das, was ich geworden bin, verdanke ich der DDR.

00:15:26: Meine Mutter war alleinstehend, 42 Geboren, uneheliges Kind, das war ja in der Kleinstadt, nun habe ich gerade einen Aushängeschild.

00:15:36: Ich bin in Jüterbock geboren, im Brandenburg sagen hatten so die kleinen Händler Ärzte und so was, und da war das natürlich nicht gerade einfach.

00:15:48: Aber meine Mutter war Telefonistin, die hat 314 Mark verdient.

00:15:53: Ich habe schon in der Oberschule 45 Mark, ja heute wird es man vielleicht soziale Affinite oder BAföG oder sowas bekommen.

00:16:01: Also Helga Katschmann als Arbeiterkind in der DDR aus einfachen oder fast prekären Verhältnissen, ist dort gut aufgefangen worden, offensichtlich in den Strukturen.

00:16:13: Für sie waren Fördermöglichkeiten da, soziale und schulische, und sie selbst fast das ja wirklich treffen zusammen und sagen, ich verdanke das, was ich geworden bin, der DDR.

00:16:28: Es konnte einem aber auch anders gehen in der DDR und das berichtet Ruth Leiserowitz, deren Vater Pfarrer war.

00:16:39: Mein Vater war ein Pfarrer, ich habe als Kind weder die Pionierorganisation besucht, noch die freie deutsche Jugend.

00:16:50: Ich hatte auch keine Jugendweihe und in Suffern war ich ein Außenseiter in der Schule und trotz meiner hervorragenden Sensuren durfte ich auch nicht zur erweiterten Oberschule.

00:17:05: Also das heißt in die Gymnasialstufe durfte also kein staatliches Abitur ablegen und durfte auch, also die erste Bildungsweg war mir verschlossen.

00:17:18: Es waren also nicht alle gleich. Herkunft spielte eine Rolle, in dem Falle die soziale.

00:17:27: Bei Helga Katschmann im positiven Sinne, anders als heute, wurden in der DDR proletarische, das heißt nicht akademische Haushalte bevorzugt, auf ihrem Bildungsweg behandelt.

00:17:46: Wohingegen christlicher Haushalte mit großen Hürden teilweise unüberwindbaren Hürden zu tun hatten.

00:17:56: Das heißt aber nicht, dass alle bürgerlichen Hintergründe schwierig waren oder denen das Abitur verwehrt worden ist.

00:18:06: Wir haben unter unseren Zeitzeugen auch Berichte darüber, wie man trotz oder wegen oder mit auf jeden Fall einem bürgerlichen Hintergrund auch bis zum Abitur gelangen konnte.

00:18:21: Und wir hören den Kollegen Holger Finken dazu.

00:18:26: Ja, also ich bin in Berlin, in Berlin-Bug geboren. Das lag unter anderem darin, dass meine Mutter damals Medizin studierte in Berlin.

00:18:36: Und bin aber nicht in Berlin, sondern in Dresden-Löpthau am Anfang und ab 65 dann in Radeboil bei Dresden in einer sehr schönen Gegend und Lage aufgewachsen.

00:18:50: Mein Vater war Aachner, ist aus familiären Gründen, also hatte meine Mutter getroffen in Berlin, dann ab Ende der 50er in die DDR übergewechselt.

00:19:04: Und war sowas, das Kaps bei uns zwar gar nicht, aber so eine Art Unternehmensberater für große Volks eigene Betriebe.

00:19:11: Und wieder hatte also zyrologisch studiert, im Wesentlichen im Westen. Ob mit oder ohne Abschluss, müsste ich gar nicht mehr zu sagen.

00:19:19: Aber jedenfalls waren die da ganz angetan von seinen Beratungsleistungen.

00:19:24: Und meine Mutter war, wie bereits erwähnt, hatte Medizin studiert und war Fachärztin für Lungenkrankheiten.

00:19:30: Und dann auch Leiterin der entsprechenden polyklinischen Abteilung im Kreis Dresden-Land.

00:19:36: Würde man ja nach westdeutschen Maßstäben ein bürgerliches Umfeld ändern?

00:19:40: Das kann man so sagen, dass würde selbst meine durchaus kommunistische Mutter zugegeben haben oder heute noch zugeben.

00:19:48: Dass das ungeachtet von der politischen, ungeacht der politischen Ausrichtung sozial eher bürgerlich war, keine Frage natürlich.

00:19:57: War das dann irgendwie was Besonderes in Radeboil in Ihrem Umfeld?

00:20:01: Ja, das war...

00:20:02: Gab viele von in Ihrer sozialen Schicht?

00:20:05: Ja, die meisten meiner Schulkameraden waren die Eltern, ja Mitglieder von Gartnerischen Produktionsgenossenschaften oder LPGs.

00:20:16: Also wer oder minder im Verwarte Bauern oder Gartner.

00:20:20: Und Leute mit einem intellektuellen Hintergrund gab es eigentlich eher wenig.

00:20:27: Wie haben Sie Ihre Schulzeit in Erinnerung?

00:20:31: Ja, ganz gut durch diesen bürgerlichen Hintergrund hatte ich natürlich gewaltige Vorteile und war eigentlich außer im Sport leider immer einer der Klassenprimisse zumindest.

00:20:44: Bin dann auch völlig problemlos auf die weitere Oberschule gekommen.

00:20:50: Also Leistung war nötig und bürgerlicher Hintergrund muss denn nicht ein Hintergrund sein, kann man das so zusammenfassen?

00:21:00: Ich würde den Holger Finken so verstehen und vielleicht ist das eine parallele zu heute, wenn er sagt, dass er wegen seines bildungsbürgerlichen Hintergrundes die Leistung erbringen konnte.

00:21:17: Also das war ein wesentlicher Startvorteil für ihn und das sehen wir ja heute auch.

00:21:27: Was man vielleicht auch als kleine parallele zu heute sehen kann, ist die Situation des Lehrerkindes Jana Mesuk, auch eine Kollegin von uns.

00:21:40: Also ich komme aus der DDR.

00:21:43: Ich bin 1969 im Mecklenburg-Vorpommern in einer Kleinstadt geboren.

00:21:49: Das war Bad und ich bin dann aber 15 Kilometer weiter auch in einer Kleinstadt Rittnitz-Dammgarten aufgewachsen.

00:21:56: Ich war dort in der Kindergarten-Schule und habe dann an der erweiterten Oberschule mein Abitur gemacht.

00:22:05: Und danach bin ich nach Hallewittenberg an die Universität gegangen, um dort zu studieren.

00:22:15: Lassen Sie uns noch mal zurückgehen nach Rittnitz-Dammgarten und in die Schulzeit gehen.

00:22:22: Waren Sie eine gute Schülerin? Sind Sie gerne zur Schule gegangen?

00:22:26: Ja, dadurch, dass meine Mutter Lehrerin war, waren wir, also wir sind drei Geschwister zu Hause gewesen, waren wir sehr gut erzogen und behütet.

00:22:38: In der Kleinstadt, wo ein Lehrer den anderen kannte, durften wir unserer Mutter keine Schande machen und wir waren alles Einzerschülerinnen.

00:22:45: Alle drei?

00:22:47: Alle drei. Also ich bin mit einer polytechnischen Oberschule Rittnitz-Dammgarten G.H. Taubmann Oberschule, hieß das damals.

00:22:56: Bin ich mit einem Durchschnitt von 1,0 empfohlen worden an die erweiterte Oberschule in Rittnitz-Dammgarten.

00:23:05: Das war die Parallelstraße, da war die nächste Schule.

00:23:08: Wir haben jetzt einige Einzelbeispiele gehört und Kollege Holger Finken fasst, dass jetzt noch mal etwas systematischer zusammen welche Bildungswege es gab und welche Rolle die Herkunftskategorie darin spielte.

00:23:22: Ja, man hatte A, B, W und I, also A waren die Arbeiter, B die Bauern selten, I waren die Intelligenz und W waren die Werktätigen, das waren bei nähere Betrachtung vor allem die Lehrerkinder.

00:23:38: Die haben ihren Kindern natürlich erspart, das I zu kriegen, das hatte ja schon Nachteile und die haben dann W bekommen, was ungefähr so gut war wie A oder W.

00:23:48: Wir haben jetzt also verschiedene Stimmen gehört, die aus meiner Sicht sehr gut belegen, wie soziale Herkunft einen Unterschied machen kann.

00:24:01: Du hattest vorhin schon erwähnt, am Beispiel unseres Kollegen Holger Finken, dass aber auch Leistung eine ganz, ganz große Rolle spielt.

00:24:10: Noch mal zur Erinnerung, wir hatten ja am Anfang gesagt, dass das Ziel der Person, mit denen wir hier sprechen, das Abitur war, um ein Studium aufnehmen zu können.

00:24:24: Und wenn wir nun einige Beispiele von Wegen zum Abitur hören, wäre es schon sehr, sehr, sehr gut.

00:24:36: wir feststellen, dass Leistung, sehr gute schulische Leistung, den Weg zum Abitur ebenden

00:24:37: konnten, aber nicht zwingend mussten. Definitionen ist ja auch, was sind denn gute, beziehungsweise

00:24:46: sehr gute, ausgezeichnete Leistungen in einem Land wie der DDR? Ein Weg, sozusagen die Norm der

00:24:57: Normalfall zum Abitur war der Besuch der weiterten Oberschule, kurz EOS, wir werden den Begriff häufiger

00:25:05: hören. In den kommenden Interviewauszügen, manche Personen, die über ihren Weg zum Abitur

00:25:15: sprechen, werden auch den Begriff Gymnasium verwenden, um die heutigen Zuhörerinnen und

00:25:23: Zuhörer abzuholen. Der Begriff Gymnasium existierte in der DDR nicht, wie gesagt, es war die

00:25:29: erweiterte Oberschule, kurz EOS, die man von der 8. bis zur 12. Klasse besuchte und später dann

00:25:39: auch nur 11. und 12. Klasse. War es nicht so, dass die EOS nicht der einzige Weg war zum Abitur,

00:25:51: sondern es gab auch noch andere Möglichkeiten dorthin zu kommen? In der Tat gab es auch andere

00:25:56: Möglichkeiten, einige konnten diese freiwillig nutzen und andere waren gezwungen, diese zu nutzen

00:26:04: und auch dazu werden wir einige Stimmen hören. Wir beginnen mit Herrn Petzold, den du interviewt

00:26:18: hast und werden weitere Stimmen hören. Carsten Waibiner zum Beispiel, ehemaliger Kollege im

00:26:29: DRD. Dann Matthias Gelbrich, ein DRD-Geförderter aus Berlin. Und diese drei Personen berichten

00:26:41: über ihren Weg an die EOS. Also in meiner Schulklasse, wir waren drei Parallelklassen und

00:26:50: das waren geburtenstarke Jahrgänge. Während der 8. entschied sich, ob du auf die erweiterte

00:26:56: Oberschule, also was Gymnasium sage ich mal, das war im 9., 10., 12. Klasse, es waren nur vier Jahre,

00:27:01: entschied sich, wer dahin geht. Allein in meiner Klasse waren 36 Schüler und Schülerinnen, wir waren

00:27:07: genau 18, 18 daran, erinnere ich mich und die anderen Klassen sind genauso groß gewesen. So und von

00:27:11: diesen sind nach der 8., 5 aufs Gymnasium geschickt worden und es gab eben einen Proport, ein bestimmter

00:27:19: Prozent als Arbeiter, Bauernkinder, Offizierskinder, Zählten zu Arbeiterkinder, mussten dabei sein

00:27:26: und Intelligenzkinder hatten es besonders schwer und insofern ich bin leistungsgedrillt groß geworden,

00:27:35: weil für meine Eltern Feststand, dass ich studieren sollte und ich wollte das auch, aber man musste

00:27:39: auch dahin kommen. Ich wurde nicht unterfordert. Und was ich sozusagen berichten kann, betrifft

00:27:46: jetzt tatsächlich nur mich beziehungsweise diese erweiterte Oberschule in Weimar. Also aus der

00:27:53: Klasse, in der ich vorher war, konnten vier Schüler, das muss man sich heute mal vorstellen, dass

00:27:57: aus einer Klasse mit 25 Schülern nur vier aufs Gymnasium gehen dürfen. Das waren in diesem Falle

00:28:03: tatsächlich die vier Leistungsbesten. Allerdings gab es da von Anfang an keine Garantie. Also man

00:28:09: brauchte gute Leistung, aber dann kam tatsächlich das Elternhaus. Also ich kam aus einem sogenannten

00:28:14: Intelligenzhaushalt, das war jetzt nicht unbedingt ein Vorteil. Allerdings war das in Weimar die Norm.

00:28:20: Also wenn man, weil es relativ wenig Industrie gab, so die Arbeiterklasse war relativ schwach

00:28:25: vertreten. Also dort gab es schon eine Vorauswahl und ich habe auch bei meinen Klassenkameraden dann

00:28:32: auf der Oberschule Fälle gehabt, wo nicht nur die Leistungsstärksten aus den jeweiligen Schulen

00:28:38: den Zugang bekommen haben. Was da genau an Kriterien angewandt wurde, vermag ich nicht zu sagen.

00:28:44: Also es war ja in der DDR nicht so einfach zu studieren. Es gab auch in der 10-Klassikern die

00:28:54: technischen Oberschule, wie das hieß, gab es ja nur wenige, die die Chance hatten zu studieren. Es war

00:29:00: ja aus meiner Klasse so zwei oder drei vielleicht, die dann auf die erweiterte Oberschule gehen konnten

00:29:09: überhaupt. Und das war dann halt, ich hatte sozusagen das Glück, dass das geklappt hat.

00:29:17: Und ja, es hatte sich auch etwas mit den Leistungen zu tun, die ich dann hatte, aber viele sind auch

00:29:26: dann überall im zweiten Bildungsweg Berufsschule dann hingekommen. Wir haben jetzt drei direkte

00:29:31: Wege zum Abitur über die EOS gehört und erfahren jetzt von zwei Beispielen für einen zweiten

00:29:40: Bildungsweg, den Alternativen einmal gewählt als Option und einmal quasi Erzwungen vom System.

00:29:50: Okay, ich bin aufgewachsen in Prenzlauberg, bin auch in Prenzlauberg zur Schule gegangen

00:29:55: und dann habe ich eine Berufsausbildung mit Abitur begonnen bei der Deutschen Reichsbahn

00:30:02: als Fernmeldemechaniker. Heute würde man duale Ausbildung erst nennen, das war ein üblicher Weg,

00:30:08: wenn man neben dem Abitur noch einen Beruf erlernen wollte und mein Vater redete mal auf mich

00:30:16: einen und sagte, du musst unabhängig sein vom Staat, du darfst dich nicht erpressen lassen,

00:30:20: du willst nicht drei Jahre zur Armee, hat er errecht und wenn du einen Beruf hast, kann man

00:30:26: dich mit dem Studienplatz nicht erpressen, dann kannst du immer sagen, ich habe ja einen Beruf,

00:30:29: ich arbeite in diesem Beruf weiter. Das war sozusagen die Strategie, die musste dann nicht

00:30:34: mehr aufgehen, weil es dann auch egal war, aber das war sozusagen die Idee dahinter.

00:30:39: Und sagen wir mal, der einfache oder normale Weg wäre gewesen auf die erweiterte Oberschulle zu gehen?

00:30:46: Genau, zwei Jahre auf die weitere Oberschulle zu gehen wäre der normale Weg gewesen und drei Jahre

00:30:51: war dann ein bisschen erschwerlicher, weil man gleichzeitig eine Ausbildung machte und das Abitur

00:30:56: hat man auch eine stärkere Stundenbelastung und halt auch keine Ferien, sondern Urlaub, also wie

00:31:02: ein Auszubildender heutzutage, war dann ein bisschen anstrengend nach. Wenn ich wusste, hätte ich so

00:31:08: nicht gemacht. Sie haben also an einem evangelischen Gymnasium ihr Abitur abgelegt, 1978 und damit

00:31:17: war aber nicht die Hochschulzugangsberechtigung erteilt worden, sondern sie hätten nur Theologie

00:31:24: studieren können? Ja, mit diesem Abschluss im Kirchlichen Oberseminar in Hermannswerde hätte

00:31:31: ich an jeder kirchlichen Hochschule in der DDR aber auch an den Universitäten Theologie studieren

00:31:40: können. Das hat mich aber nicht interessiert, weil ich keine Berufskristen werden wollte. Und ich war

00:31:52: immer noch der überzeugende Überzeugung, dass ich eine Christin bin, aber dass diese Personen alle dann

00:31:59: in kirchliche Profile gedrängt wurden, das wieder strebte mir. Und ich war der Meinung, es müsste

00:32:08: auch noch andere Wege geben. Und dann bin ich nach Berlin gegangen, habe dort angefangen in der

00:32:17: Staatsbibliothek zu arbeiten und habe mir einen Platz in einer Abendschulklasse, in der Volkshochschule

00:32:27: erkämpft. Das war auch nicht so leicht, um dort ein Abitur zu machen, denn alle Möglichkeiten des

00:32:37: Abitur zu erwerben wurden von dem Volksbildungsministerium sehr stark eingeschränkt und kanalisiert, weil man

00:32:47: nicht so viel Hochschulstudiumsberechtigte haben wollte für die wenigen Studienplätze, die es gab.

00:32:57: Und Sie haben dort dann aber das Abitur an der Volkshochschule, also das allgemeine Abitur,

00:33:07: dann nochmal absolviert. Ich habe 1981 noch einmal Abitur gemacht, also diesmal in einer etwas

00:33:17: anderen Fächerkombination, unter anderem mit russisch, mit wesentlich weniger Mathematik und

00:33:26: wesentlich weniger Englisch, aber dafür dann eben auch noch in Chemie und, ja, also stärker

00:33:40: naturwissenschaftlich und in der DDR konnte man sich jährlich einmal für einen Studiengang

00:33:48: bewerben. Also das war schon sehr schmal. Ich habe mich von 1981 bis 1985 jährlich zum

00:34:01: Studium beworben. Wir sind ja hier eine Art historischer Podcast. Wir müssen uns immer

00:34:06: vergegenwärtigen, dass die Stimmen, die wir jetzt eingefangen haben, Berichten über Ereignisse,

00:34:13: die sehr weit zurückliegen, je nach Lebensalter, 20, 30, 40 Jahre oder länger und natürlich

00:34:21: verdichten sich die Erinnerung, verklären sich vielleicht, verändern sich. Erinnerung wird

00:34:30: rekonstruiert, festigt sich im Kopf und wir fanden, aber besonders interessant, auch zu

00:34:39: hören, wie die kindliche Perspektive damals auf die kindliche Wahrnehmung noch erinnert wird und

00:34:46: das schildern uns hier weitere Zahlzeugen. Wir beginnen mit der Wahrnehmung der zwei

00:34:55: politischen Systeme durch die Augen von Kindern und Jugendlichen und dann natürlich diejenigen,

00:35:05: die etwas über die DDR und Kindheit und Schulzeit in der DDR wissen, werden vielleicht schon darauf

00:35:12: warten, wann kommen denn endlich die Pionierorganisation und die freie deutsche Jugend? Das wird der zweite

00:35:20: Block sein. Wir werden unvermeidbar hören, wie unsere Interviews sich gefühlt haben mit der

00:35:34: weißen Blose, dem blauen Halstuch, dem roten, vielleicht haben sie auch das blaue Hemd der

00:35:40: freien deutschen Jugend angezogen, vielleicht auch nicht und wir starten wieder mit

00:35:49: unseren Kolleginnen Katajina Kozilak und Heba Talafati und leiten dann über zum DAD Alumnus

00:36:00: Karamba Diabi. Ich glaube, man hat damals die Teilung der Welt in sozialistische Staaten und in

00:36:11: die kapitalistischen Staaten einfach hingenommen. So war die Welt aufgeteilt, so war es und so

00:36:18: sollte es wohl auch mal bleiben und ich wusste, dass die Kapitalisten schlecht waren. Wieso nicht

00:36:25: ganz? Ich weiß nicht, was wäre, wenn ich mit 20, 30 in dieser Situation damals gelebt hätte. Als

00:36:38: Kind war das Leben so einfacher. Es gab das Gute und das Schlechte und wir waren das Gute. Und

00:36:44: anders als deine Mitschülerinnen und Mitschüler konntest du in dem Alter auch schon sagen, dass es

00:36:51: zwei deutsche Staaten gibt und dass sie verschieden sind. Der Bezug zu Deutschland und zur deutschen

00:36:59: Sprache und Kultur hat dich auch nicht verlassen, im Gegenteil. Er hat dich zur Germanistik geführt,

00:37:05: nach der Matura, nach dem Abitur. Ich denke, das hat auch etwas mit dem Bildungssystem damals zu

00:37:13: tun, das ich erlebt habe. Man muss mich sprachlich sehr gefördert haben in einer Weise, dass ich

00:37:19: sehr viel gelesen habe, dass ich diese Sprache lieb gewonnen habe und unbedingt weiterhin diese

00:37:25: Sprache sprechen wollte und sie auch studieren wollte. Das finde ich nach wie vor, weil ich

00:37:32: selber erlebt habe und wenn ich auch dieses Bildungssystem so positiv in Erinnerung habe,

00:37:36: hat es bestimmt auch Seiten, die durchaus positiv sind, würde ich sagen. Und das Interesse ist

00:37:47: geblieben. Ich wollte unbedingt deutsche Literatur studieren und habe das dann auch gemacht an

00:37:53: der Uni Cairo Anfang der 90er Jahre, also 1990. Genau das Jahr der Wiedervereinigung habe ich auch

00:38:01: mein Studium begonnen an der Uni Cairo der Germanistik. Ja, also durch die Schulbildung

00:38:06: weiß man, habe Geschichte in Senegal wieder sehr, sehr viel über Zweiten Weltkrieg ernten,

00:38:13: Weltkrieg wurde sehr, sehr viel in der Schule gelehrt. Und da wusste ich natürlich von den beiden

00:38:20: deutschen Staaten, das eine war kapitalistisch, nach unserer damaligen Chargons und dann das andere

00:38:26: war sozialistisch. Und da wusste ich ganz genau, wie der Unterschied ist. Ich hatte natürlich auch

00:38:34: Vorurteile, genauso wie jeder in einer nicht-sozialistischen Lande, aufgewachsen, sozialisiert ist,

00:38:40: hatten wir immer wieder gesagt bekommen, dass im Sozialismus, das ist ja alles einheitlich,

00:38:47: unser Englisch-Lehrer aus Großbritannien, zum Beispiel der als Lehrer bei uns in der Schule war

00:38:53: durch Entwicklungshilfe damals, hat man Lehrer in den Länder geschickt, also die dann dort als

00:39:00: Lehrer tätig waren, Frankreich, also Großbritannien, aber Deutschland auch. Und mein Englisch-Lehrer hat

00:39:08: uns gesagt, sozialistische Länder, das sind Länder, wo alles einheitlich ist, zum Beispiel

00:39:13: Sandbürste. Wenn du in einem Hausbesuch gehst, siehst du, alle haben gleiche Sandbürste, so

00:39:20: unter Bekleidungen. Ich bin dann DDR gekommen mit der Vorstellung, die jüngere Mädchen, die ich dann

00:39:25: sehe auf der Straße, die werden alle gleiche Uniform haben. Alle haben gleiche Rock, alle haben

00:39:30: gleiche Pullover im Winter. Alle hatten die gleiche Zahnbürste. Gott sei Dank nicht dieselbe

00:39:39: Zahnbürste. Das sind Erinnerungen aus der jugendlichen Wahrnehmung. Und die Jugend, ja, die war allerdings

00:39:50: jüngst organisiert in der DDR. Und uniformiert. Und ja, Bionier zu sein oder nicht zu sein, war eine

00:40:04: wichtige Frage. Und häufig die entscheidende, viele haben sich diese Frage gar nicht gestellt,

00:40:12: andere wiederum haben diese Frage mit Nein beantwortet. Ja, und wie, was galt eigentlich,

00:40:21: ja, für die ausländischen Kinder in der DDR, waren sie auch diesen Zwingen unterworfen oder

00:40:27: liefen sie quasi nebenher aus der Reihe? Das werden wir jetzt hören. Zum einen von Hebert

00:40:37: Talafati und zum anderen von Katajena Kozilak. Es war insgesamt eine positive Zeit aus meiner Sicht.

00:40:47: Aber natürlich gab es auch Dinge, wo man sich als Kind fragt. Also bestimmte Dinge, die anders waren,

00:40:55: wo auch meine Eltern viel gefragt haben, weil ihnen auch wichtig war, dass jetzt auch dieses

00:41:01: politische, sprich das ganze Pionierwesen, also auch dieses System an den DDR-Schulen, dass ich so weit

00:41:10: das nötig war, vieles mitmache, aber eben auch, dass sie mich in einer gewissen Weise vor bestimmten

00:41:16: Ideen oder so schützen müssen. Und dann haben sie auch entschieden beispielsweise, dass wir beim

00:41:21: Pionierwesen nicht dabei sind. Und das wurde auch respektiert. Das war kein Problem. Aber ich habe

00:41:25: irgendwann mal gemerkt, es gibt auch Dinge, wo wir anders sind, aber insgesamt habe ich mich als

00:41:32: Kind sehr wohl gefühlt. Ich kann eigentlich nur über die DDR-Schule berichten. Ich weiß es nicht,

00:41:37: ob das auch generell für Deutschland zutrifft, aber es gab auch viele zusätzliche, weiß ich,

00:41:43: Zirkel. Und ich war dann in allen möglichen Handwerkszirkel, Leichtathletik habe ich angefangen

00:41:50: zu trainieren, alles Mögliche. Also ich war, ich sage bis heute noch, dass ich im Herzen ein

00:41:56: Aussie bin. Mir hat die Zeit unglaublich viel Spaß gemacht. Ich habe sie, ich weiß nicht, ob das

00:42:02: jetzt danke der Kindheit Jahre, danke der Kindheit Glück, es waren die schönsten Tage. Ich glaube

00:42:07: mir nicht, dass es das ist oder das stimmt auch teilweise. Aber ich bin jemand, der es gerne hat,

00:42:12: wenn alles gut organisiert ist, durchdacht, geplant und das Gefühl hatte ich in der DDR,

00:42:19: dass alles gut organisiert war, auch in der Schule. Ich war schon auch als Kind jemand,

00:42:24: der es gerne hatte, sich zu vereinen. Ja. Dann warst du natürlich auch Pioniererin. Aber

00:42:32: natürlich. Ich wusste es nicht, als polnische Staatsangehöriger, das heißt mir war es freigestellt,

00:42:39: ob ich dabei sein will und ich war natürlich dabei sein. Ich war Jungpionier, ich war Thelmannpionier

00:42:44: und ich war dann auch FTJ-Ottlerin, weil ich war über acht Jahre in der DDR, das heißt wir sind,

00:42:52: ich glaube erst 87, wieder zurückgekommen nach Warschau. Ich kann mich an die Appelle erinnern,

00:42:59: an das basieren und ich war dann auch, ich glaube, ob der zweiten Klasse immer so eine typische,

00:43:04: ich würde gerne sagen 1,0 Schülerin, nicht ganz, ich hatte mal Probleme mit Betragen und mit Musik,

00:43:11: aber ja, ja, ich war auch als FTJ-Ottlerin bei solchen Treffen in Berlin, das heißt ich kann

00:43:19: mich auch erinnern, wie ich in einer Gruppe, großen Gruppe von jungen Leuten, da an Erich Honika

00:43:25: vorbei marschiert bin und ich kann mich auch daran erinnern, wie der Unterricht immer begonnen

00:43:31: wurde, für Frieden und Sozialismus immer bereit, immer bereit, an die regulären Appelle und daran,

00:43:38: wie stolz man war, als man endlich FTJ-Ottlerin war und nicht mehr seit, immer bereit, reagieren

00:43:44: musste, sondern für Frieden und Sozialismus Freundschaft. Das war die höhere Stufe. Das war

00:43:50: die höhere Stufe, dann war man erwachsen. Ich finde bemerkenswert und war offen gesagt überrascht,

00:43:56: wie klar und begeistert Katarzyna von dieser Pionierzeit erzählt und im Gespräch habe ich

00:44:06: natürlich auch nachgefragt. Ich habe mich gefragt, ist das unreflektiert? Ist das jetzt naiv? Nein,

00:44:12: ist es nicht, aber sie hat die Dinge, so wie sie sie damals als 6, 7, 8-Jährige empfunden hat,

00:44:20: wiedergegeben. Und natürlich sieht sie das heute anders, sagt sie in dem Interview auch und führt

00:44:26: das so aus. Aber es ist interessant, es mal so zu hören, aus deutschem Munde habe ich so ein

00:44:34: unbefangenes Bekenntnis zu diesem Jugend- oder Kindheitserlebnis noch nicht gehört. Vielleicht

00:44:42: sind viele nicht so gern organisiert, wie sie das sagt. Das fand ich auch sehr interessant,

00:44:53: dass sie sagt, sie hat es gern organisiert und da sind diese Pionierorganisationen und

00:44:59: diese ganzen anderen Aktivitäten, die in diesem Rahmen durchgeführt wurden, waren für sie

00:45:05: persönlich genau richtig. Also sie hat die Schokoladenseite quasi des Systems da genießen

00:45:13: können und davon profitiert. Es konnte aber auch ganz anders laufen. In der Tat. Und die andere

00:45:23: Seite der Medaille, wenn man quer zum System lag, zum politischen System und da nicht zum

00:45:31: Mainstream gehören wollte oder nicht durfte oder nicht zugelassen wurde, war bitter und hart und

00:45:36: hat Lebenswege abgeschnitten. Ja, manchmal ist es ja für Kinder oder für Kinder generell gar

00:45:45: kein Wollen, sondern es ist ein Fakt. Sie werden hineingeboren in diese Situation und ihr Leben

00:45:55: ist dadurch geprägt. Davon berichtet uns gleich Ruth Leiserowitz, Frau Prof. Ruth Leiserowitz,

00:46:06: muss ich korrekterweise sagen, sie ist Osteuropa-Historikerin. Ich habe sie in Warschau getroffen,

00:46:13: da war sie stellvertretende Direktorin des Deutschen Historischen Instituts und erwähnenswert ist,

00:46:20: dass sie nicht nur historisch-wissenschaftlich geforst hat über diese Zeit, sondern selbst auch

00:46:28: politisch aktiver. Sie war auch Bürgerrechtlerin und hat sich in der Wendezeit, in der Reformzeit

00:46:35: auch als man dachte, man könne die DDR noch reformieren sehr stark für die Demokratie und

00:46:43: für die Bürgerrechte engagiert. Und sie blickt hier jetzt auch noch einmal zurück auf ihre

00:46:49: Kindheit und auf die doch ja traurigen oder dramatischen Umstände für sie. Ich habe als Kind

00:46:57: weder die Pionierorganisation besucht noch die freie deutsche Jugend. In erster Linie war das

00:47:05: so Konsens meiner Eltern und das wurde auch begründet damit, dass die Statute der Pionierorganisation

00:47:18: einen Glauben an Gott ablehnen und dass man das als Christ und noch dazu als Pfarrersfamilie

00:47:26: ja nicht gut heißen könne. Und andererseits war es auch nicht attraktiv in die Pionierorganisationen

00:47:36: zu gehen. Es hätte auch keinerlei Vorteile erbracht, weil es sowieso eine Zeit war, in

00:47:46: der sehr stark in den DDR-Strukturen nach sozialer Herkunft gewertet wurde. Wenn man ein Arbeiter- und

00:47:55: Bauernkind war, dann hatte man alle Chancen für einen Studienplatz und als Pfarrerskind konnte man

00:48:03: nie ein Arbeiter- und Bauernkind sein, ganz egal an welchen Handlungen man teilgenommen hätte.

00:48:10: Ja, das war ein Schicksal, was wir mit vielen unserer Bekannten, uns Bekannten und Verwandten

00:48:21: Kindern gleich hatten und damit lebte man eben. Und damit lebte man eben und das soll auch der

00:48:28: Schlusssatz sein für die heutige Episode. Ich danke dir Elke, dass du diese Folge vorbereitet hast

00:48:35: und hier mit mir zusammen präsentiert hast. Ich danke dir und freue mich auf weitere Folgen mit dir.

00:48:43: Die DDR und wir im DAAD. Ein Podcast des DAAD.

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