Herder statt Goethe. Zur Geschichte des ältesten Instituts für Deutsch als Fremdsprache | Staffel 1 Folge 5

Shownotes

🎙 Die DDR und wir im DAAD – Folge 5

Staffel 1: Hinter der Mauer die Welt

Wie entwickelte sich das Herder-Institut nach 1990? Alexander Haridi und Kristin Herz (DAAD) beleuchten die wechselvolle Geschichte der einst international renommierten DDR-Institution und berichten, was aus dem Institut und seinen Mitarbeitenden wurde.

🌍 Hintergrund

Das Herder-Institut war Dreh- und Angelpunkt für ausländische Studierende in der DDR. Es bot Deutschkurse, Vorbereitungskurse für ausreisende DDR-Lektor:innen sowie Kurse für ausländische Deutschlehrkräfte und Germanist:innen an.

💬Das Institut war stark ideologisch durchwirkt und galt als führend in der Forschung zu Deutsch als Fremdsprache. Es pflegte enge Kontakte zu sozialistischen Ländern und hatte eine Leitfunktion innerhalb der DDR. Annette Kühn, ehemalige Lehrerin am Herder-Institut, erinnert: „Es war die Adresse für die fachliche und sprachliche Ausbildung von ausländischen Studierenden und gilt als Wiege des Faches Deutsch als Fremdsprache.“ Nach der Wende stellte sich die Frage: Wie würde diese Institution weiterbestehen, und was würde aus ihren Mitarbeitenden werden?

📌 Themen dieser Episode

• Geschichte und Bedeutung des Herder-Instituts vor und nach 1990 • Ideologische Einflüsse vs. wissenschaftliche Spitzenleistungen • Perspektiven der Mitarbeitenden und der internationalen Studierenden

🎧 Über das Projekt

Das Zeitzeugenprojekt „Die DDR und wir im DAAD“ dokumentiert über 90 Stunden Interviews mit ehemaligen und aktuellen Mitarbeitenden, DAAD-Alumnae/-Alumni und politischen Wegbegleitenden – emotional, kontrovers und informativ.

🖥️ Formate

Podcast 🎙 | Video-Serie 🎥 | Online-Archiv mit Zeitzeugeninterviews 📖

DAAD-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter haben das Projekt anlässlich des 100-jährigen DAAD-Jubiläums entwickelt und umgesetzt, unterstützt durch Studierende und Kommunikationsprofis aus Ost- und Westdeutschland.

🔗 Weitere Informationen:

🌐 Webseite: http://www.daad.de/ddrundwir

🎥 YouTube: https://www.youtube.com/channel/UC-wnTIo38qxMCUa1VOR6Q

📧 Kontakt: ddrundwir@daad.de

Transkript anzeigen

00:00:00: Wir sind natürlich geschult worden, auch politisch vorher, wie wir uns zu verhalten haben und welche Fragen wir wie antworten mussten.

00:00:07: Ich ab heute noch solche Materialien.

00:00:09: Da wurde gesagt, wenn uns jemand fragt, warum DDR-Bürger nicht in den Westen reisen dürfen, dann sollen wir halt das und das antworten.

00:00:19: So, also so was gab es, aber der Unterricht selbst und die Atmosphäre in den Kursen war ganz, offen ganz frei,

00:00:27: war wunderbar, wir hatten die Welt im Haus, es gab ganz viele kulturelle Veranstaltungen neben dem Unterricht, an den wir auch teilnehmen konnten.

00:00:36: Also es war für mich wirklich ein Aha-Erlebnis und das hat mich dazu gebracht, dann in diesen Bereich zu gehen.

00:00:45: Also es waren, glaube ich, damals hat man das so wahrgenommen, als da kommen die Herren aus dem Westen und so, wo es lang geht.

00:00:53: Das vielleicht schmerzhafteste in dieser Zeit waren die bis dahin eigentlich unvorstellbaren Personalkürzungen.

00:01:04: Man hat sich vorgestellt, gut nicht alle Mitarbeiter können übernommen werden, das ist schon klar.

00:01:09: Aber dass es dann 90 Prozent waren, die entlassen werden mussten und hinter dieser Zahl stehen Menschen, Familien, Leben, Perspektiven, also das war schon ganz schlimm.

00:01:24: Die DDR und wir im DAAD. Eine Zeitzeugenbefragung. Folge 5, Herder statt Goethe.

00:01:35: Willkommen zu einer neuen Episode von Die DDR und wir im DAAD und im Studio sitzen heute wieder Alexander Ridi und Christine Herz vom DAAD.

00:01:47: Wir beide haben in der Arbeitsgruppe zum Wendezeitprojekt, wie wir das intern nennen, uns mit dem Ausländerstudium in der DDR beschäftigt und du insbesondere mit dem Herderinstitut.

00:02:01: Und wir haben gesehen, dass das Thema so wichtig ist und auch so komplex, dass es sich lohnt, dazu mehrere Episoden aufzunehmen.

00:02:12: In der letzten Episode haben wir uns mit der Sprachausbildung am Herderinstitut beschäftigt und mit DAAF Deutsch als Fremdsprache und der Forschung dazu.

00:02:21: Und heute wollen wir uns die Institution, Herderinstitut, etwas genauer ansehen.

00:02:28: Ja, ich freue mich sehr auf diese Folge. Ich hatte beim letzten Mal schon erzählt, dass ich auch am Herderinstitut studiert habe.

00:02:34: Ich wusste natürlich, dass das auch zu DDR-Zeiten schon eine renommierte Einrichtung war. Aber ich habe jetzt wahnsinnig, wahnsinnig viel Neues gelernt und freue mich, dass wir uns damit heute gemeinsam beschäftigen.

00:02:48: Ja, und ich kann sagen, ich freue mich auch persönlich besonders, denn ich habe auch eine Beziehung zu Leipzig.

00:02:53: Ich bin dann nämlich geboren, 1967 in Leipzig. Und mein Vater, der aus dem Sudan stammt und in die DDR kam, um dort zu studieren, hat am Herderinstitut Deutsch gelernt.

00:03:07: Insofern habe ich hier also zwei biografische Anbindungen auch an das Thema.

00:03:13: Ich habe die Frau Dr. Annette Kühn, die wir schon kennengelernt haben, die Geschäftsführerin von InterDuff war unter anderem, aber auch selbst, der am Herderinstitut studiert hatte.

00:03:26: Ich habe sie im Interview gebeten, selbst über die Geschichte des Herderinstituts zu erzählen.

00:03:32: Und der Prof. Klaus Altmaier, der nach der Wende nach Leipzig kam, an das dann neue Herderinstitut, also eine Einrichtung an der Universität und mehrere Studiengänge zum Thema Duff, sind ja ressortieren dort.

00:03:49: Der erzählt uns etwas über den Namenspatronen des Herderinstituts.

00:03:55: Ich bin gespannt.

00:03:56: Frage nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs war eigentlich von einem Ausländerstudium hier nicht zu sprechen.

00:04:03: Aber das änderte sich 1951.

00:04:06: Da gab es einen Beschluss des damaligen Staatssekretariats für Hoch- und Fachschulwesen an der Arbeiter- und Bauernfakultät.

00:04:14: Das war eine Einrichtung Arbeiter- und Bauernfakultät, die alle Universitäten, oder alle weiß ich nicht, aber viele Universitäten in der DDR hatten, um eben die Kinder und das Arbeiter- und Bauernstaat zu fördern.

00:04:29: Und an dieser Arbeiter- und Bauernfakultät sollte eine Abteilung Auslandstudenten eingerichtet werden.

00:04:35: Das hat sicher damit zu tun, dass die DDR natürlich versucht hat, auch kluge Köpfe aus dem Ausland ran zu ziehen.

00:04:43: 1956 wurde dann aus dieser Abteilung Ausländerstudium das Institut für Ausländerstudium, das 1961 dann Herberinstitut wurde, also den Namen erhielt.

00:04:57: Und die Aufgabe war vor allem nach wie vor die sprachliche Vorbereitung und auch fachliche Vorbereitung von Studierenden, Ausländerstudierenden, die in der DDR studieren wollten, wobei meiner Zusagen muss, irgendwo in der DDR.

00:05:16: Also an allen Universitäten, alle Studierenden, die in die DDR kamen, um dort zu studieren, mussten zuerst mal mindestens ein Jahr ans Herberinstitut um dort zu lernen.

00:05:30: Dann wurden dann auch auf die Universitäten verteilt, bekam dort das ist zumindest das, was ich weiß, dann auch weiterhin vor allem sprachliche Unterstützung.

00:05:40: Das war jetzt die Situation von 1956 bis 1961.

00:05:45: Dann hat sich wahrscheinlich auch wieder im weiteren Sinn politischen Gründen das Ganze nochmal ein bisschen verändert.

00:05:56: Man hatte mit diesem Institut dann mehr vor vonseiten der DDR-Regierung, es hängt höchstwahrscheinlich auch mit dem Ansehen der DDR außerhalb, also auf der Welt zusammen und mit der Systemkonkurrenz zum Westen, zu Westdeutschland.

00:06:17: Jedenfalls hat man das Institut dann mit zusätzlichen Aufgaben versehen, nämlich Aufgaben im Bereich der auswertigen Kultur- und Sprachempolitik.

00:06:26: Es ging darum, dass das Institut Materialien auch für den deutscher Sprachunterricht entwickeln sollte und vor allem auch diejenigen, die die DDR dann ins Ausland geschickt hat, um dort Deutsch zu unterrichten, Germanistik zu unterrichten,

00:06:46: an Hochschulen, dass man die fachlich vorbereitet und auch während ihres Aufenthalts auch fachlich betreut hat.

00:06:54: Das war die zweite wichtige Aufgabe dieses Instituts.

00:06:59: Um das ein bisschen sichtbar zu machen, das ist also diese ganze Aufwertung des Instituts, hat man auch einen neuen Namen gesucht und hat einen Namenspatronen auch gesucht, der politisch ideologisch unverdächtig ist oder der sogar im Gegenteil zumindest aus der Sicht der DDR.

00:07:24: Das haben wir, die Ideologie der DDR, ein bisschen vertreten.

00:07:30: Na ja, das ist jetzt ein bisschen falsch ausgedrückt, auf den man sich zumindest von DDR-Seite berufen konnte, weil er zum Beispiel auch andere Traditionen hochgehalten hat als der Westdeutsche im Sinn des Instituts von Westdeutschland in Anspruch genommen, der Goethe.

00:07:53: Ein Zeitgenosse von Goethe und eben in vielerlei Hinsicht anders orientierte Autor Johann Gottfried Herder, der war es dann, auf den man sich berufen hat und hat das ganze dann Herder-Institut genannt, allerdings auch noch weiter mit dem alten Vorstudienanstreiz untertitelt, den gab es im Grunde bis zum Ende der DDR, soweit ich weiß.

00:08:18: Mit dieser Herder-Institut war eine Einrichtung, eine universitäre Einrichtung geschaffen, wurde die eine Leitfunktion hatte innerhalb der DDR.

00:08:28: Und ich betone nochmal, es war eine universitäre Einrichtung, das ist ja auch immer später dann in den Diskussionen mit dem Goethe-Institut ein Punkt gewesen, Herder-Institut war universitär.

00:08:39: Und es war ein großes Institut, das bis Ende der 80er Jahre fast 300 Mitarbeiter hatte.

00:08:49: Also das ist natürlich auch eine Zahl, die enorm ist, sage ich jetzt mal.

00:08:54: Zunächst war das Herder-Institut als Vorstudienanstalt zur sprachlichen und fachlichen Vorbereitung für Ausländer konzipiert.

00:09:03: Bereits 1954 gab es dann einen DDR-Weitenbeschluss, das auch Studienbegleitender Unterricht, Deutschunterricht an ausländischen Studenten, also sollte erteilt werden,

00:09:17: sicherlich auch mit Studienerfolg, die haben sicherlich auch darüber nachgedacht, wie können wir die Studenten möglichst erfolgreich auch in einer gewissen Zeit zu einem Abschluss führen.

00:09:28: Diese Aufgabe bekam auch das Herder-Institut und 1967, das war ein wesentlicher Einschnitt, wurde die Forschungsabteilung gegründet.

00:09:38: Die Forschungsabteilung war aber auftragt, Forschung auf allen Gebieten des Deutschen als Franz-Sprache zu betreiben, mit allen Schwerpunkten.

00:09:48: Linguistik, das sind die Namen wie Professor Helbig und Buscher sicherlich weltbekannt, das hat uns immer geholfen, sage ich jetzt mal.

00:09:56: Aber auch Methodik-Didaktik, Namen wie Löschmann und Besselmann oder Landeskunden, natürlich Landeskunde, ein Name ist vielleicht Herder, ein anderer Uelmann.

00:10:08: Psychologie war auch ein Schwerpunkt und was immer am Herder-Institut ganz wichtig war, die Phonetikphonologie.

00:10:15: Das ist etwas, was an vielen Universitäten überhaupt keine Rolle spielte in der Sprachausbildung, nicht so eine Rolle spielte.

00:10:22: Worum uns auch viele Kollegen des Goethe-Instituts auch immer beneidet haben.

00:10:27: Können Sie dann Namen nennen? - Frau Prof. Hirschfeld. Die war damals auch sehr jung, sie kam ja, glaube ich, aus Halle von Prof. Stock, aber sie hat hier mit ihren Kollegen zusammen,

00:10:46: das war eine Arbeitsgruppe, hat sie dort sehr viel für die Sprachausbildung getan.

00:10:51: Und diese Forschungseinrichtung war nicht Teil der Germanistik, sondern sie war unabhängig. Sicherlich gab es Verbindung.

00:11:01: Was auch noch wichtig war, was noch in diese Forschungsabteilung kam, sehr bald auch die Weiterbildungsveranstaltungen, Sommerkurse.

00:11:12: Die ausländischen Germanisten und die ausländischen Deutschlehrer kamen wesentlich aus den sozialistischen Ländern.

00:11:20: Aber nicht nur. Es gab ja auch Stipendien schon, sicherlich Parteistipendien, die für die Weiterbildung hier eingesetzt wurden.

00:11:29: Es gab Kurse für Schweden, für Finnland. In den Sommerkursen war das Publikum etwas internationaler.

00:11:37: Ich erinnere mich an eine Gruppe, als ich selber im Sommerkurs tätig war. Das waren junge Kommunisten, Kommunistinnen aus Portugal.

00:11:46: Das war natürlich für uns als junge Lehrkräfte schon sehr interessant.

00:11:51: Aber wir jungen Lehrkräfte wurden dort in der Regel nicht eingesetzt.

00:11:54: In der Regel wurden in den Sommerkursen Kollegen eingesetzt, die fest auf dem Boden der DDR standen,

00:12:02: die das Parteilehrer genossen hatten, die also schon auf die man sich verlassen konnte.

00:12:09: Aber die jungen Leute untereinander hatten natürlich immer Kontakt.

00:12:16: Das stellte ich mir schon als junge Wilde vor.

00:12:20: Nein, so wild waren wir eigentlich nicht. Wir waren ja schon reglementiert.

00:12:24: Ich meine die portugiesische.

00:12:26: Ja, das können Sie aber wissen. Und auch da waren Französinnen dabei.

00:12:30: Es waren überwiegend Frauen, ich weiß es nicht, erinnere ich mich.

00:12:33: Aber das waren schon, da wurden die Fragen konkret gestellt.

00:12:36: Die ließen sich ja auch nicht so schnell abspeisen.

00:12:41: Die kamen ja auch aus einer Auseinandersetzung.

00:12:43: Die kamen aus einer ganz anderen Auseinandersetzung, als das auch unsere Genossen erlebt haben.

00:12:51: Ich erinnere mich an einen Sommerfonds.

00:12:55: Wir wurden ja immer vorbereitet, fachlich vorbereitet, aber natürlich auch politisch geschult.

00:13:00: Und dann hieß es in einer Versammlung, so jetzt gehen alle nicht Genossen raus.

00:13:06: Wir müssen jetzt mal für die Genossen da noch eine Nachschulung oder was weiß ich mal.

00:13:11: Da waren wir derart empört. Da haben wir gesagt, wir müssen mit denen auch reden.

00:13:16: Wir müssen auch wissen, was ihr hier wisst. Nein, das wurde getrennt.

00:13:20: Also das fand ich damals schon sehr eigenartig.

00:13:23: Aber die Sommerkurse, die hier durchgeführt wurden, waren wirklich sehr beliebt, sehr gut.

00:13:31: Wenn ich dann später so in der Welt unterwegs war, habe ich oft gehört,

00:13:36: ach, wir waren in Leipzig zum Sommerkurs und da haben wir das und das erlebt und erfahren, wir sind sehr viel rumgereist.

00:13:43: Also das waren auch fachlich fundierte Veranstaltungen, die wirklich auch den Austausch sehr gefördert haben.

00:13:52: Das war schon toll. Also diese Zeit möchte ich unter keinen Umständen missen, sage ich jetzt mal.

00:13:59: Noch ein ergänzender Punkt zur Forschungsabteilung, bzw. zum Herrera-Institut.

00:14:06: Viele Lektoren, die im Ausland waren, die sind auch vom Herrera-Institut gekommen,

00:14:12: bzw. wenn es Lehrer waren, die wurden am Herrera-Institut vorbereitet auf den Einsatz.

00:14:18: Ja, später habe ich dann gesehen, dass der DAD das natürlich genauso macht.

00:14:22: Er bereitet seine Leute auch vor auf den Auslandseinsatz, inhaltlich und eben auch landeskundlich geprägt.

00:14:30: Genau, also da haben wir jetzt diese beiden Aufgaben, die einmal das Herrera-Institut in der DDR-Zeiten hatte,

00:14:36: die Lektorenbetreuung und der DAD hat diese Aufgabe ja auch.

00:14:40: Von daher ist dieser Podcast jetzt auch wieder interessant und viele parallelen.

00:14:45: Und auch der DAD spielt halt auch eine Rolle in der Geschichte des Herrera-Instituts.

00:14:50: Was Frau Kühn auch gesagt hat, sie spricht an die Kollegen, die quasi auf festem Boden standen, politisch auf festem Boden.

00:14:58: Die durften diese Sommerhochschulkurse unterrichten.

00:15:02: Also es wurde offensichtlich auch darauf geachtet, dass die Lehrkräfte ja politisch gefestigt waren.

00:15:09: Ja, das Herrera-Institut hatte auch eine ideologische Aufgabe.

00:15:15: Es sollte ein Bild der DDR vermitteln an die ausländischen Studierenden oder an die Gäste ein positives Bild.

00:15:22: Und heute würde man vielleicht sagen, er hat was von Nation Branding oder Landesmarketingfunktionen,

00:15:29: um das mal ja kapitalistisch Westdeutsch zu sagen.

00:15:33: Und damit sind Ziele verbunden, die ja auch die westdeutsche auswärtige Kulturpolitik auch verfolgt.

00:15:48: Da heißt es zum Beispiel, Freunde und Partner im Ausland finden.

00:15:54: Das ist ja auch eine ähnliche Idee, auch wenn das vielleicht nicht so stark mit Ideologie unterfüttert ist.

00:16:00: Was es bedeutete, am Herder-Institut zu arbeiten, wenn man selbst nicht in der Partei war,

00:16:09: nicht Partei mit Glied war, zu Zeiten der DDR, das berichtet Frau Prof. Hirschfeld.

00:16:16: Es war ganz eindeutig eben, dass ich nicht in der Partei war.

00:16:22: Das Herder-Institut hatte ja 300 Mitarbeiter ungefähr, und es gab ab und zu eine Vollversammlung.

00:16:31: Und am Ende dieser Vollversammlungen wurde dann gesagt, also die Genossen bleiben noch hier.

00:16:39: Und die anderen können schon gehen, und dann sind wir zu fünf oder sechs draus gegangen.

00:16:46: Ja, also das war schon sehr strafforganisiert, wobei, sagen wir mal, 90 Prozent geschätzt in der SED waren.

00:16:58: Und wenn man aber Partei mit Glied war, dann war es einfacher, die Glied zu werden?

00:17:03: Ja, alles einfacher. Also mit bestimmten Perspektiven hätte ich überhaupt nicht gehabt.

00:17:08: Die waren dann erst nach 1990 für mich möglich.

00:17:13: Haben Sie das schon als Einschränkungen?

00:17:17: Ich habe das als starke Einschränkungen empfunden.

00:17:19: Ich hätte das so jederzeit beenden können.

00:17:21: Man hat mich schon geworben und hat gesagt, du bist doch für die Entwicklung im Land,

00:17:26: wenn du hier was erreichen willst, du mussten die Partei gehen.

00:17:29: Als Außenstehende kannst du nichts erreichen.

00:17:32: Und das haben Kolleginnen und Kollegen gesagt, die ich wirklich sehr geschätzt habe, sehr geschätzt habe.

00:17:37: Auch mein Doktorvater in Halle hat das gesagt.

00:17:40: Aber ich wollte mir selbst gegenüber ehrlich bleiben und habe auch Gleichgesinnte gehabt

00:17:53: unter Freunden und Kolleginnen und Kollegen, auch in der Familie.

00:17:57: Auch mein Mann war nicht in der Partei.

00:17:59: Wir fanden das einfach ehrlicher und aufrichtiger für uns selbst.

00:18:06: Praktisch haben Sie den Preis bezahlt?

00:18:10: Ja, ich bin klar, was das bedeutet. Welche Einschränkungen?

00:18:13: Das war eine Einschränkung, aber ich habe die nicht so schmerzhaft empfunden.

00:18:17: Ich durfte meine Arbeit machen, da gab es überhaupt keine Einschränkungen.

00:18:21: Ich durfte Forschung, ich durfte mein Unterricht machen.

00:18:24: Ich durfte auch für das Herder Institut nach Bulgarien, Polen, Russland, Tschechien,

00:18:31: Oberkai reisen, also in die sozialistischen Bruderländer.

00:18:36: Ich bin gefördert worden, ich bin anerkannt worden.

00:18:43: Es gab Wertschätzung mir und dem, was ich gemacht habe gegenüber.

00:18:47: Ich hatte tolle Kolleginnen und Kollegen, da gab es überhaupt keine Voreingenommenheiten.

00:18:54: Aber letzten Endes war es halt so.

00:18:57: Ich finde, Frau Prof. Hirschfeld beschreibt das sehr differenziert und sehr auf Fairness bedacht.

00:19:05: Wenn Sie beschreibt, welche Möglichkeiten Sie hatten in den Instituten,

00:19:09: wo aber auch die Grenzen waren als Nichtparteimitglied.

00:19:13: Genau, also es scheint so Karriere ist eigentlich fast unmöglich,

00:19:17: oder so gut wie unmöglich, weil man eben nicht in der Partei war.

00:19:21: Also seit aber wissenschaftliche Arbeit und Entwicklung und Colegialität

00:19:26: und auch befriedigendes Arbeiten war für Frau Hirschfeld auch unter diesen Bedingungen möglich.

00:19:33: Dann kam die Wendezeit und damit wendeten sich auch die Möglichkeiten und Grenzen

00:19:40: und die, die im alten System staatsnah waren und besondere Privilegien hatten,

00:19:46: besondere Möglichkeiten standen im Fokus der Aufmerksamkeit.

00:19:50: Und für die, die Wege verschlossen gewesen waren,

00:19:54: in der DDR öffneten sich neue Möglichkeiten.

00:19:58: Genau, also es war wie so ein Wechsel, also neue Chancen,

00:20:03: für die, die vielleicht vorher nicht diese Chancen hatten,

00:20:06: aber natürlich auch große Schicksale für die, die eben politisch aktiv waren.

00:20:13: Jetzt natürlich spannend zu schauen, wie geht es weiter mit dem Herder-Institut,

00:20:18: wo es ja offensichtlich viele Lehrkräfte gab, die eben politisch gefestigt waren,

00:20:28: wie das jetzt so schön ausgedruckt wurde.

00:20:30: Auf der einen Seite das, aber auf der anderen Seite,

00:20:33: die natürlich auch großartige wissenschaftliche Arbeit geleistet haben.

00:20:37: Ja, wie ist man damit umgegangen?

00:20:42: Die Veränderung deuteten sich an, aber ich muss mal sagen,

00:20:46: die unmittelbaren, also von den unmittelbaren Ereignissen des Herbstes dann,

00:20:53: war, war, dass die Arbeit am Herber-Institut vorerst nicht betroffen.

00:20:59: Man hatte, es deutete sich schon, es deutete sich schon an, ja.

00:21:04: Und man befürchtete natürlich auch, dass das Institut abgewickelt werden könnte.

00:21:10: Abwicklung war auch so ein Wort in dieser Zeit.

00:21:14: Abwicklung im Sinne von Auflösung, sag ich jetzt mal, ja.

00:21:19: Und dann kam im März die gewählte Regierung.

00:21:24: Und da ging es ja schon darum, was passiert an den Hochschulen?

00:21:28: Welche Entwicklung gibt es an den Hochschulen?

00:21:32: Und 90, 90 im Sommer, ich denke, das war 90 im Sommer,

00:21:42: sagte man in der Regierung, dass das Herber-Institut nicht abgewickelt werden soll.

00:21:47: Aber die Voraussetzung ist natürlich gewesen, dass sich die Leitungsstrukturen verändern

00:21:53: und dass alle Mitarbeiter sich Evaluierungen zu unterziehen haben.

00:21:59: Also das war klar, damals ging es noch gar nicht um die Zahl, sag ich jetzt mal, von 300 Mitarbeitern.

00:22:07: Es ging einfach darum, man braucht eine gewählte Leitung am Herber-Institut

00:22:13: und die Mitarbeiter mussten evaluiert werden.

00:22:17: In den Sommermonaten fanden die Gespräche statt.

00:22:20: Ich kann dazu nicht selber was sagen, weil ich natürlich da nicht involviert war.

00:22:25: Aber ich weiß, dass auf ganz unterschiedlichen Ebenen,

00:22:31: auswärtiges Amt, Herr Witte, der damalige Kultur-Staatssäcke,

00:22:39: leider der Kulturabteilung, Herr Witte war involviert,

00:22:46: natürlich immer das Sächsische Kultusministerium, Prof. Meyer, der DRD von Anfang an,

00:22:54: also Helmann war schon im Sommer, im August war er schon hier,

00:22:58: die waren involviert in die Gespräche, was passiert eigentlich jetzt damit.

00:23:03: Und die Regierung war, wie gesagt, nicht unmittelbar in Abwicklung, Auflösung interessiert.

00:23:09: Und auswärtiges Amt und auch DRD, das habe ich nachgelesen,

00:23:15: haben sich dieser Meinung angeschlossen.

00:23:20: Und gerade auch Herr Witte war dort jemand, der sich sehr dafür eingesetzt hat,

00:23:28: diesen Teil nicht abzuwickeln.

00:23:31: Sie haben mir vorhin erzählt, es hätte auch mit diesen ganzen Stipendiaten und so weiter anders ausgeführt,

00:23:37: gehen können. Er hat sich ganz stark dafür ausgesprochen. Ich habe mir den Satz, glaube

00:23:41: ich, aufgeschrieben. Ja, sie schlossen sich dieser Meinung an mit der Begründung, man

00:23:48: wolle auf das ostdeutsche Erfahrungspotenzial für die auswertige Kulturpolitik nicht verzichten.

00:23:55: Das war eigentlich der Grund, dass dann letztendlich mit einem demokratisch gewählten neuen Leiter

00:24:03: des Herder Instituts, das war Professor Wenzel, der sich Verdienste in der demokratischen Erneuerung

00:24:09: der Universität erworben hatte. Ja, Frau Kühn, er berichtet hier von einem entscheidenden

00:24:14: historischen Moment in der Geschichte des Herder Instituts und dazu habe ich aus dem DRD-Archiv

00:24:21: auch ein Vermerk finden können. Der ist datiert August 1990. Das sind nur wenige Wochen vor

00:24:32: der Vereinigung der beiden deutschen Staaten und da berichtet der stellvertretende Generalsekretär

00:24:39: des DRDs Dr. Friedrich Hellmann, der sich besonders interessiert hat für die DDR und

00:24:50: da sehr engagiert war. Der war mit Dr. Bertolt Witte, das war der Leiter der Kulturabteilung

00:24:55: des Auswärtigen Amtes, also Mister Auswärtige Kulturpolitik in der Bundesrepublik Deutschland.

00:25:01: Die beiden waren zu Besuch in Leipzig, haben das Herder Institut besichtigt, mit den

00:25:07: Kollegen gesprochen, mit dem Rektor gesprochen und ich zitiere gerne mal hier aus dem Vermerk,

00:25:15: das schreibt Herr Hellmann, dass das Herder Institut aufgrund seiner bisherigen Tätigkeit

00:25:24: und seinem Renommee im Ausland bei allen Personalreduzierungen und sonstigen Modifizierungen

00:25:31: im Kern erhalten werden soll und für die künftige, gesamtdeutsche, auswärtige Kulturpolitik

00:25:37: insbesondere im Hochschulbereich genutzt werden soll, Zitat Ende. Das finde ich schon

00:25:44: bemerkenswert, weil wir hier einen Fall haben von Anerkennung der Leistung, einer Einrichtung

00:25:49: der DDR und auch einem Verständnis, dass das wiedervereinigte Deutschland unbedingt

00:25:55: davon profitiert, hier Strukturen zu übernehmen, auch wenn in den nächsten Monaten in der

00:26:03: Transformation das Herder Institut in seiner ursprünglichen Form zerschlagen wird oder

00:26:10: aufgegliedert wird neu. Ja, es ist wahnsinnig spannend, das zu sehen. Natürlich ist es jetzt

00:26:15: auch interessant zu schauen, wie sieht denn die neue Struktur aus, was passiert denn jetzt

00:26:21: mit dem Herder Institut? Und das, was das Konstrukt Herder Institut umfasst in der

00:26:27: DDR ist ja dann auch aufgespalten worden nach der Vereinigung, nicht? Und daraus hervorgegangen

00:26:33: ist InterDaf als Spracheninstitut oder? Ja, so, ein Kunde ist es ein Verein, der aber

00:26:45: zu dessen Aufgaben ist tatsächlich das gehört, was ja im Kunde das alte Herder Institut

00:26:50: auch gemacht hat, nämlich Deutschkurse anzubieten für Studierende an der Universität Leipzig.

00:26:57: Man muss vielleicht dazu noch sagen, dass die Gründung von InterDaf auch damit zu tun

00:27:05: hatte, dass man den, also das Herder Institut hatte 1990 zu der Zeit, als es ja um die Frage

00:27:12: ging, wie geht es weiter, circa 300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Und es war völlig klar,

00:27:21: dass man die nicht alle würde halten können. Und letztendlich sind, das sind so die Zahlen,

00:27:26: die der Herr Wenzel immer genannt hat, 90 Prozent mussten entlassen werden. Und um dafür

00:27:34: eine Auffangmöglichkeit zu schaffen, auch dafür wurde InterDaf gegründet. Und das hat auch

00:27:43: recht gut funktioniert. Ich habe jetzt keine Zahlen, wie viel von diesen 90 Prozent dann

00:27:48: eine berufliche Zukunft bei InterDaf gefunden haben, aber es waren schon einige. Dazu können

00:27:55: aber sicher eine Tecune oder andere viel mehr sagen, die wissen das besser als ich.

00:27:59: Und die zweite Neugründung, die aus dem Alten Herder Institut der vorbegangen ist, war

00:28:09: das Studienkolleg, das ja auch wieder ähnliche Aufgaben hat, nämlich Studienvorbereitende

00:28:15: Deutschkurse, das allerdings anders als InterDaf ein Teil der Universität geblieben ist, das

00:28:22: ist für den Kollege. Und die dritte, das sind wir. Wir sind gewissermaßen aus der alten

00:28:29: Forschungsabteilung des Herder Instituts hervorgegangen und verstehen uns auch heute

00:28:34: noch in der Tradition der Forschungsabteilung einer unserer Lehrstühle, haben wir eigentlich

00:28:43: an der Universität Leipzig nicht zu sagen, aber lieber Professuren, eine unserer Professuren

00:28:48: heißt auch Gerhard Helbig-Professur für angewandte Linguistik, Karmatik und angewandte Linguistik.

00:28:56: Im Dezember 1993, also das war schon ein Prozess, ja, im Dezember 1993 ging aus der Forschungsabteilung

00:29:07: dann das neue Herder Institut hervor. Also die Wissenschaft, Akademisches Institut,

00:29:15: an der Fakultät der Universität Leipzig. Dieses Herder Institut, ich weiß nicht, die

00:29:21: hatten vielleicht nur zehn Mitarbeiter, also zehn Professoren und Mitarbeiter.

00:29:26: Also heute Professor Altmaier, Professor Pfandrich und ja, ja, ja. Das war das neue Herder Institut.

00:29:33: Und dieses neue Herder Institut war, wie gesagt, an der philologischen Fakultät angebunden,

00:29:38: war mit Forschung für Deutsch als Fremdsprache beauftragt und es hatte den Auftrag, den es

00:29:44: früher am Alten Herder Institut nicht gab, nämlich einen Magisterstudiengang Deutsch als

00:29:50: Fremdsprache aufzubauen, neben der Forschung. Und diesen Magisterstudiengang, das war dann

00:29:57: praktisch das Kernstück des neuen Herder Instituts mit Forschung natürlich.

00:30:02: Ja, das ist historisch eine interessante Geschichte. Aus eins wurden drei, aber drei Strukturen,

00:30:10: die im neuen bundesrepublikanischen System dann auch lebensfähig waren, aber quasi neu starten

00:30:18: mussten mit dem Rucksack der Erfahrung, der vorangegangen, aber in einem neuen System.

00:30:26: Und es hat halt sehr, sehr viel Veränderung gebracht. Also aus eins macht drei. Auch belegschaftstechnisch

00:30:34: wurde natürlich viel verändert. Also wir haben ja ursprünglich gehört, dass das Herder Institut 300

00:30:39: Mitarbeiter hatten hatte und genau das dann auf 30 reduziert wurde, was natürlich auch unglaublich

00:30:47: viel Veränderung für alle, die dort am Herder Institut gearbeitet haben, bedeutet hat.

00:30:53: Und Bruch natürlich und Ende von Erwerbsbiografien.

00:30:58: Ja, und wir haben einspannendes Beispiele, was man auch nochmal sich näher anschauen kann.

00:31:04: Das ist nämlich die Geschichte von Frau Prof. Hirschfeld, die sich ja mit der Phonetik beschäftigt hat.

00:31:11: Und sie hat sich nach der Evaluierung erfolgreich gegen die Schließung ihres Fachs gewährt.

00:31:17: Wie ist denn Ihr beruflicher Weg dann weitergegangen nach der Wiedervereinigung?

00:31:23: Ja, nach der Wiedervereinigung. Ich bin also sofort von Polen dann zurückgekommen 1990 im Sommer,

00:31:29: weil ich dachte, jetzt werden vielleicht hier wird alles umgekrampelt und alles neu organisiert.

00:31:35: Und es ist gut, wenn man dabei ist und wahrscheinlich war es auch gut, dass ich dabei war,

00:31:40: denn ich weiß, dass auch Kollegen in Polen geblieben sind noch.

00:31:44: Und deren Stellen wurden dann auch an der Uni Leipzig gestrichen.

00:31:48: Also ich bin zurück und es wurden dann Kommissionen eingesetzt, die praktisch die Mitarbeiter der Forschungsabteilung,

00:32:04: wenn ich jetzt mal dabei bleiben kann, evaluiert haben, hinsichtlich ihrer Forschungsleistung.

00:32:10: Wir hatten in der Forschungsabteilung fünf verschiedene thematische Bereiche mit unterschiedlich vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.

00:32:21: Also der größte Bereich war die Lingwistik mit Professor Helbig an der Spitze und anderen namhaften Personen.

00:32:28: Dann gab es den Bereich Methodik, Didaktik des Deutschunterrichts, der zweite Bereich.

00:32:33: Dann gab es die Landeskunde, Landeskunde und Kulturkunde, ein Bereich Fremdsprach und Psychologie

00:32:40: und uns die kleinste Gruppe, die Phonetik so.

00:32:43: Die Landeskunde war automatisch draußen.

00:32:46: Landeskunde DDR spielte keine Rolle mehr in der zukünftigen Entwicklung des Herder Instituts.

00:32:52: Die Lingwistik war stark und hat sich erst mal gehalten.

00:32:58: Wurde trotzdem evaluiert, auch einzelne Leute, in der Methodik wurde auch evaluiert.

00:33:05: In der Phonetik, glaube ich, wurde nicht evaluiert, da gab es auch keine Professuren bis dahin.

00:33:09: Wir waren alles Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zum Teil promoviert.

00:33:14: Da ging es eigentlich um die Frage, brauchen wir Phonetik oder brauchen wir das nicht.

00:33:19: Und da nirgendwo in der alten Bundesrepublik, im Bereich Deutsch als Fremdsprache, es irgendwelche Abteilungen oder Spezialisierungen gab,

00:33:31: die sich mit Phonetik beschäftigen, war beschlossen, dass die Phonetik abgeschafft wird.

00:33:37: Daraufhin habe ich, ich habe damals, als ich wieder nach Leipzig kam, diesen Bereich geleitet,

00:33:46: habe ich an Kolleginnen und Kollegen im Ausland geschrieben und im Inland, die mit uns kooperiert haben.

00:33:52: Hört mal, wir sollen hier abgeschafft werden und wir bitten euch, dass ihr an die Universitätsleitung schreibt,

00:34:01: dass wir gebraucht werden, dass wir kooperiert haben, dass wir nötig sind.

00:34:05: Und es haben viele gemacht, mehr als 30 Personen.

00:34:10: Aus Westdeutschland und aus dem Ausland?

00:34:12: Aus Westdeutschland wenige, weil wir nicht so gute Kontakte hatten, aber einige hatte ich schon aus dem Ausland,

00:34:18: aus dem Inland, auch aus anderen Universitäten, die sich mit Deutsch als Fremdsprache entwickelte,

00:34:25: sich ja auch an anderen Universitäten als Studienbegleitung zum Beispiel.

00:34:28: An Ostdeutschen Universitäten?

00:34:30: Ostdeutsch, also da geht jetzt schon ein Riss noch durch.

00:34:34: Geht immer noch der Riss durch, aber ich habe inzwischen auf Tagungen auch Kollegen getroffen aus Westdeutschland,

00:34:41: die sich mit Phonetik beschäftigen, die ich auch angeschrieben habe und die auch an unsere Universitätsleitung geschrieben haben.

00:34:49: Und ich wurde dann zum damaligen Prorektor bestellt, der mir Nestbeschmutzung vorgeworfen hat.

00:34:57: Also die Böseuniversität Leipzig will die gute Phonetik abschaffen.

00:35:01: Aber es hat immerhin dazu geführt, dass es zweieinhalb Stellen gab, die ausgeschrieben wurden.

00:35:07: Von ehemals?

00:35:08: Für Phonetik, von ehemals fünf oder sogar sechs.

00:35:12: Ja, so wirklich unvorstellbar wäre in Leipzig die Phonetik abgeschafft worden wäre.

00:35:18: Kannst du erklären, was ist eigentlich Phonetik und was ist Ihre Bedeutung im Fremdsprachenunterricht?

00:35:24: Also Phonetik ist eigentlich die Lautlehre, wenn man es übersetzt.

00:35:28: Und im Fremdsprachenunterricht ist es besonders wichtig, weil natürlich die unterschiedlichen Sprachen ihre Laute unterschiedlich formen.

00:35:36: Das heißt, jetzt in Bezug auf Deutsch als Fremdsprache kann man tatsächlich, wenn man dieses phonetische Wissen hat,

00:35:43: die Lernenden dabei unterstützen, die Laute richtig zu formen und einfach dadurch die Aussprache deutlich zu verbessern.

00:35:54: Und dieser Forschungsbereich, das ist die Phonetik.

00:36:00: Und das ist ja auch außerhalb der Germanistik bekannt.

00:36:03: Ich zum Beispiel bin von der Ausbildung Her Arabist und habe in Bonn arabisch gelernt, aber mit einem Lehrbuch der DDR.

00:36:11: Und auch da wurde auf die Übung und auf die Phonetik sehr viel Wert gelegt.

00:36:18: Viel mehr als bei den westdeutschen Lehrwerken, die stärker auf Übersetzung abzielten.

00:36:25: Und von Frau Hirschfeld habe ich gelernt, dass sie ja in Halle ursprünglich ausgebildet worden war.

00:36:33: Und dann gibt es die Sprechwissenschaft, offensichtlich auch eine Halensererscheinung, die auch ja schon vor dem Zweiten Weltkrieg, glaube ich, begründet worden ist.

00:36:43: Also eine lange Tradition hat.

00:36:45: Und über die reine Phonetik jetzt für den Fremdsprachenunterricht auch noch hinausgeht.

00:36:51: Also dort kommen auch Theaterleute, Logopäden und andere, um fundiert zu lernen, wie Aussprache funktioniert.

00:37:00: Also ein veritables Stück Wissenschaft, das da doch noch Gott sei Dank zu einem Teil erhalten werden konnte in Leipzig.

00:37:11: Genau. Also ein wichtiger Teil auch der Deutsch als Fremdspracherausbildung und Forschung.

00:37:17: Ja, lass uns nochmal zurückgehen zu dieser Wendezeit, weil die brachte natürlich auch ganz viele Herausforderungen im Alltag und auch im Arbeitsalltag mit sich.

00:37:30: Und Dinge, die quasi für die westdeutschen total selbstverständlich waren, waren halt für viele Ostdeutsche neu.

00:37:39: Und mit denen hatte man sich zum Teil vorher noch nie beschäftigt.

00:37:44: Ich will nochmal ganz kurz zurück zur Gründung von Interdav.

00:37:49: Mit der Gründung und mit einer Urkunde und einer Satzung und ein paar schreibtischen und Unterrichtszimmern ist das ja alles nicht getan.

00:37:57: Die Zeit war sehr, es war eine Aufbruchsstimmung.

00:38:02: Ja, die Zeit war so, wenn ich das jetzt so darüber nachdenke, unruhig war die Zeit, unruhig, unsicher und doch Aufbruchsstimmung.

00:38:13: Also ich hatte ganz viele motivierte, engagierte Kollegen, die mitgearbeitet haben.

00:38:20: Aber wir haben uns immer gefragt, wie viele Kurse können wir denn machen?

00:38:25: Kommen genug Studenten, diese Frage beschäftigt ein Jahr ständig.

00:38:30: Werden wir entsprechende Materialien haben, mit denen wir arbeiten können?

00:38:35: Wo kommt eigentlich das Geld her, damit wir diesen Verein tragen können?

00:38:41: Und was eine ganz große Frage war, die uns beschäftigt hat, wie macht man eigentlich ordentliche Werbung?

00:38:47: Das waren alles Fragen, mit denen hatten Sie sich vorher nicht beschäftigt?

00:38:51: Niemals habe ich mich.

00:38:52: Nur mit dem Fachlichen?

00:38:53: Ja, ich habe mich nie damit beschäftigt.

00:38:55: Es gab dann auch eine Situation, das könnte ich sicher noch erzählen.

00:39:01: Zu Frau Prof. Wodjak ins Büro und ich war dann Ihre neue Mitarbeiterin und sie sagte auch, Frau Kühn,

00:39:06: ich habe jetzt gar nicht sehr viel Zeit für Sie.

00:39:08: Wir fahren morgen zum DRD.

00:39:10: Sie kommen mit.

00:39:11: Wir müssen dem DRD unsere Anliegen, unsere Anliegen vortragen, unsere Angebote unterbreiten und machen sich drauf gefasst.

00:39:19: Da sind nicht alle so positiv gestimmt.

00:39:23: Viele glauben auch gar nicht, dass wir das schaffen.

00:39:25: Aber wir fahren da zusammen hin und wir kriegen das schon hin.

00:39:28: Und dann sagte sie, und dort sind Unterlagen, machen Sie mal ein Angebot und eine Kalkulation.

00:39:34: Und morgen, ich komme dann zurück, da reden wir noch mal drüber und morgen fahren wir.

00:39:38: Ich war sowas von erschlagen.

00:39:40: Ich wusste nicht, was ein Angebot ist.

00:39:42: Ich wusste nicht, wie man eine Kalkulation macht.

00:39:44: Und dann habe ich mich da eingelesen.

00:39:46: Und wenn ich heute manchmal so dran denke, dann im Laufe der Zeit beinahe,

00:39:49: wie viele Angebote haben wir geschrieben?

00:39:51: Wie viele Kalkulationen gemacht?

00:39:54: Das war unvorstellbar.

00:39:57: Sie haben recht.

00:39:58: Mit solchen Dingen haben wir uns überhaupt nicht beschäftigt.

00:40:00: Und Werbung.

00:40:01: Wir mussten nicht für uns werben.

00:40:03: Wir waren da.

00:40:04: Wir waren fachlich gut.

00:40:06: Und jetzt musste man werben.

00:40:08: Wie macht man das?

00:40:10: Das war wirklich etwas, was einen sehr beschäftigt hat.

00:40:15: Trotzdem, es war einfach die Zeit von pragmatischen Lösungen.

00:40:20: Also im Rückblick gesehen sind das schon lustige Anekdoten,

00:40:23: die natürlich zu der Zeit dann sicherlich eher eine stressige Situation gewesen sind.

00:40:30: Willkommen in der neuen Welt.

00:40:33: Man bringt dann Errungenschaften mit und Professionalität und Dinge.

00:40:37: Aber das allein reicht nicht.

00:40:39: Sie müssen im neuen System auch irgendwie neu verortet werden,

00:40:44: vermarktet werden, beworben werden.

00:40:47: Wenn man Frau Kühn zuhört,

00:40:51: bekomme ich den Ahnung, dass sie das aber sehr gut gelungen ist,

00:40:55: sich hier in der neuen Welt zurechtzufinden.

00:40:58: Und damit gab es natürlich dann auch Berührungspunkte zum DRD.

00:41:03: Denn der DRD ist auch ein Kunde von Interdav.

00:41:06: Und wir schicken bis heute und zwar sehr gerne unsere Stipendiatinnen

00:41:11: und Stipendiaten zur Sprachausbildung nach Leipzig.

00:41:14: Ja, sie ist langjährige Geschäftsführerin gewesen

00:41:17: und hat, glaube ich, auch das Herder-Institut in der Zeit sehr gestärkt.

00:41:21: Also ich denke schon, dass das eine Erfolgsgeschichte ist.

00:41:25: Dann gibt es auch noch andere Kontakte zum DRD

00:41:29: und da lassen wir Frau Kühn noch mal darüber sprechen.

00:41:31: Ich muss sagen, als ich dann als Geschäftsführerin zum DRD kam,

00:41:35: waren ja die Türen offen.

00:41:37: Ja, also ich, Helman, Frau Gasti, kannten auch die Gegebenheiten.

00:41:42: Frau Prof. Wojtyak, die kannten Wenzel, also da war fachlich eigentlich, war das klar.

00:41:48: Aber wir waren ja mit der Arbeitsebene beschäftigt

00:41:51: und da musste man sich ja auch irgendwie einkriegen.

00:41:55: 1990 kamen schon die ersten DRD-Stipendiaten in die Sommerkurse.

00:42:00: Damals hat das Herder-Institut im Übergang das noch veranstaltet, 1990 schon.

00:42:06: Wir hatten ja auch Kontakte zum Goethe-Institut, zur Zentralstelle für Auslandschulwesen.

00:42:15: Mit denen haben wir auch zusammengearbeitet, die das auch aufregend fanden

00:42:21: und die Landeskunde natürlich des Ostens auch erleben wollten.

00:42:25: Wir hatten Glück, dass der DRD die wissenschaftlichen Programme,

00:42:33: die noch in DDR-Zeiten vereinbart worden war, weitergeführt hat,

00:42:37: sodass wir da auch noch einen anderen Standbein hatten.

00:42:42: Es kam nach Leipzig, ja.

00:42:44: Und 1990, wie gesagt, war der erste Kurs dieses Angebot,

00:42:49: das ich damals machen sollte, für die amerikanischen und kanadischen Sprachstudenten,

00:42:55: die hierher kommen sollten, um das Land hinter dem eisernen Vorhang kennenzulernen.

00:43:00: Und bevor ich zu Herrn Rogarsch und Herrn Ezolt komme, was mir sehr in Erinnerung ist,

00:43:07: Herr Dr. Gügold, der damals den DRD in New York leitete, reiste mit der ersten Gruppe an.

00:43:14: Ich weiß nicht, Gügold muss ja das Herber-Institut gekannt haben,

00:43:19: aber er reiste mit der ersten Gruppe an.

00:43:21: Ich musste übrigens nicht, dass er aus Berlin ist.

00:43:24: Ich, nee, und überhaupt nicht. Er reiste an, wollte sich ein Bild machen,

00:43:30: und ich sagte dann, Herr Dr. Gügold, ich zeige Ihnen das Haus und so.

00:43:33: Nein, nein, Frau Kühn, ich mache das alles alleine, ich schau mich um,

00:43:36: und ich werde schon meine Eindrücke haben.

00:43:38: Da bin ich ja ein bisschen geplettet, irgendwie in mein Büro gegangen.

00:43:42: Er kam dann und er war eigentlich sehr begeistert.

00:43:45: Die Studenten hatten ihm erzählt, dass sie so tolle Lehrer haben,

00:43:49: dass sie so gut ausgebildet sind und dass der Sprachunterricht so systematisch sei,

00:43:54: und sie schon viele Exkursionen gemacht haben.

00:43:56: Also er war dann auch, war angetan davon, sage ich jetzt mal.

00:44:01: Und mit Herrn Dr. Rogausch verbinde ich vor allen Dingen die Ausbildung der DRD-Lektoren,

00:44:08: die das Vereinigte Deutschland dann ja in der Welt repräsentieren sollten.

00:44:16: Und wir, landeskundliche Ausbildung anboten, Kurse anboten, im Osten viel Neues.

00:44:23: Unvergesslich, in dem Zusammenhang ist mir eine Episode,

00:44:27: Herr Dr. Rogausch begleitete diese ausreisenden DRD-Lektoren nach Leipzig.

00:44:33: Ich glaube, das waren Lektoren, die nach England, nach Großbritannien gingen.

00:44:38: Und da wir damals in der DDR, in der Übergangszeit noch kein richtiges Überweisungssystem hatten,

00:44:47: kam doch Herr Dr. Rogausch mit dem Geldkoffer.

00:44:51: Das Geld musste im Koffer transportiert werden, weil wir sonst die Kosten gar nicht bezahlen konnten.

00:44:57: Aber das war, naja, das war schon aufregend.

00:45:03: Und das Fachdeutsch als Femmsprache ist wirklich am Herberinstitut entwickelt worden.

00:45:07: Das muss man so sagen, das wird heute sicherlich auch anerkannt.

00:45:12: Das war unmittelbar nach der Wende vielleicht nicht ganz so, aber hier ist schon der Grundstein dafür gelegt worden.

00:45:18: Und Helbig hatte auch die erste Professor.

00:45:20: Ja, wir kommen jetzt ans Ende dieser Episode zur Geschichte des Herder Instituts

00:45:25: und haben miterleben können, wie eine gut funktionierende und sehr großzügig personell ausgestattete Einrichtung der DDR

00:45:35: keinen Fortbestand haben konnte in ihrer alten Form im wiedervereinigten Deutschland.

00:45:41: Das wiedervereinigte Deutschland hat eine föderale Institution, hat Bundesländer.

00:45:48: Es gibt jetzt fünf neue Bundesländer in der ehemaligen DDR, die jeweils zuständig sind

00:45:55: für ihre Hochschulen und ihre eigenen Studienkollegs und ihre eigene Ausländerstudienpolitik betreiben.

00:46:03: Also kein Platz mehr für ein zentrales Institut.

00:46:08: Einerseits, andererseits ein Fortleben, Fortbestehen des sprachlichen Unterrichts durch InterDaf,

00:46:19: der Studienvorbereitung durch das Studienkolleg und der wissenschaftlichen Beschäftigung mit Deutsch als Fremdsprache im Herderinstitut.

00:46:31: Schön, dass du auch heute dabei warst und mit mir zusammen das Thema erörte das.

00:46:38: Danke, dass du hier warst.

00:46:40: Es hat mir sehr viel Spaß gemacht, ich habe unheimlich viel gelernt.

00:46:44: Vielen Dank.

00:46:46: Ich bedanke mich auch und dann bleibt noch eine dritte Episode im Zusammenhang mit dem Herder Institut,

00:46:52: nämlich die Frage, was war mit den Lektoraten der DDR.

00:46:57: Danke für heute.

00:46:58: Danke dir.

00:47:02: Die DDR und wir im DAAD.

00:47:07: Ein Podcast des DAAD.

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